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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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lächerlichen Kupfernäpfe weggeräumt worden.
    Juan Francisco wiederholte daraufhin einen Satz, der schon so etwas wie sein Credo war: »In Mexiko ändert man die Dinge von innen, nicht von außen.«
    »Wann lernst du je etwas dazu?« antwortete Pânfilo seufzend.
    Cärdenas gab erste Zeichen der Unabhängigkeit zu erkennen, und Galles der Ungeduld. Juan Francisco stand irgendwo in der Mitte und wirkte verunsichert, welchem Weg die Arbeiterbewegung folgen und welchen Standpunkt er selbst in ihr einnehmen sollte. Laura spürte sein Unbehagen und fragte ihn mehrmals mit aufrichtig besorgter Miene: »Auf welche Seite stellst du dich, wenn es zum Bruch zwischen Galles und Präsident Cârdenas kommt?« Und er wußte keinen anderen Ausweg, als wieder in seinen Fehler aus der Zeit vor der Versöhnung mit Laura zu verfallen, in die politische Rhetorik: »Die Revolution ist geeint, es wird nie einen Bruch zwischen ihren Führern geben.« – »Aber die Revolution hat schon mit etlichen deiner Ideale gebrochen, Juan Francisco, aus deiner Zeit als Anarchosyndikalist.« (Das Bild der Dachkammer in Xalapa, das hinter Mauern verborgene Leben Armonia Aznars, ihre geheimnisvolle Beziehung zu Orlando und die Gedenkrede Juan Franciscos auf die Tote, all das suchte sie plötzlich wieder in einer einzigen Flut heim.) Und er antwortete wie ein Betbruder, der ständig sein Credo aufsagt: »Man muß von innen Einfluß nehmen, draußen zerquetschen sie dich wie eine Wanze, die Schlachten werden im Inneren des Systems ausgetragen.«
    »Man muß verstehen, sich anzupassen, nicht wahr?« »Immerzu. Selbstverständlich. Die Politik ist die Kunst des Kompromisses.«
    »Des Kompromisses«, sprach sie tiefernst nach. »Ja.«
    Man mußte es Nacht in seinem Herzen werden lassen, um nicht zu erkennen, was vor sich ging. Juan Francisco konnte erklären, daß ihn die politische Notwendigkeit zu einem Kompromiß mit der Regierung zwinge…
    »Mit jeder Regierung? Irgendeiner Regierung?« …sie durfte ihn nicht fragen, ob ihn sein Gewissen nicht verurteile. Juan Francisco fürchtete sich nicht vor den Meinungen anderer, er fürchtete sich vor Laura Dîaz, davor, abermals von ihr verurteilt zu werden. Bis es dann eines Nachts wieder zu einem offenen Zusammenstoß zwischen den beiden kam. »Ich habe es satt, daß du über mich urteilst.« »Und ich, daß du mir nachspionierst.« »Ich weiß nicht, was du meinst.« »Du hast meine Seele in einen Keller gesperrt.« »Bemitleide dich nicht dermaßen, du tust mir leid.« »Rede nicht mit mir wie der Heilige mit der Sünderin, sprich mit mir! «
    »Es empört mich, daß du mir Ergebnisse abverlangst, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.«
    »Hör auf, dir einzubilden, daß ich über dich urteile.«
    »Wenn nur du über mich urteiltest, du Ärmste, brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.«
    Und sie wollte ihm sagen: Glaubst du, ich bin nur zu dir zurückgekehrt, um mir meine eigenen Fehler verzeihen zu lassen? Doch sie biß sich auf die Zunge, die Nacht belauert mich, der Morgen befreit mich, sie ging ins Zimmer ihrer Söhne, um sie schlafen zu sehen und sich zu beruhigen.
    Um sie schlafen zu sehen.
    Sie brauchte nur die zwei in den Kissen versunkenen Köpfchen zu betrachten, den bis zum Kinn zugedeckten Santiago, den aufgedeckt und mit gespreizten Beinen daliegenden Danton – als äußerten sich selbst im Schlaf die grundverschiedenen Persönlichkeiten der Jungen –, um sich zu fragen, ob sie, Laura Dïaz, zu diesem konkreten Zeitpunkt ihres Lebens ihren Söhnen eine Lehre erteilen konnte oder wenigstens den Mut hatte, zu fragen: Was wollt ihr wissen, was kann ich euch sagen?
    Neben ihrem Bett sitzend, konnte sie ihnen nur sagen, sie seien auf die Welt gekommen, ohne daß man sie gefragt habe, und diese Freiheit der Eltern, sie zu zeugen, bewahre sie, die neuen Geschöpfe, nicht vor einem Erbe aus Ressentiments, Bedürfnissen und Unwissen, das die Eltern, selbst wenn sie es versuchten, nicht für sie überwinden konnten, ohne gerade damit ihre Freiheit einzuschränken. Sie selbst würden dieses Erbe bekämpfen müssen, während sie, die Mutter, sich dennoch nicht zurückziehen, verschwinden, zum Phantom ihrer Nachkommen werden durfte. Sie, Laura, war gezwungen, im Namen ihrer Kinder standzuhalten, ohne es jemals zu zeigen, unsichtbar an deren Seite auszuharren, nicht die Ehre des Kindes, die Verantwortung des Sohnes zu beeinträchtigen, der an seine eigene Freiheit glauben, sich als Gestalter

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