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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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von einem Schuhputzer begleiten ließ, damit er seine Galoschen stets auf Hochglanz polierte. Neruda war langsam und schläfrig wie ein Ozean, Vallejo trug den Tod unter seinen umschatteten Augenlidern, die wie Leichentücher wirkten, Paz hatte Augen, die blauer waren als der Himmel, und Siqueiros war für sich allein eine ganze Militärparade. Alle hatten sich mit Theaterkostümen verkleidet, den Gewändern aus ›Don Juan‹ und aus ›Don Mendos Rache‹, ›Die Moneten‹ und ›Der Richter von Zalamea‹, es gab von allem etwas, alle tanzten auf einem Madrider Dach unter den Bomben, die deutschen Stukas spendeten unfreiwillig Licht, und wir tranken Champagner. Was für ein Wahnsinn, was für eine Freude, was für ein Fest war das, Laura? Ist es lächerlich, verwerflich oder großartig, wenn eine Gruppe von Dichtern und Malern das Leben inmitten des Todes feiert und den Erzfeind zum Teufel wünscht, während der mit seinem maßlosen faschistischen, reaktionären Trübsinn und seiner ewigen Verbotsliste über uns herfällt: Reinheit des Blutes, religiöse Reinheit, sexuelle Reinheit? Wir kannten sie längst. Seit 1931 die Republik errichtet worden war, hatten sie sich der Gemeinschaftserziehung widersetzt, ihre Kinder mit Kruzifixen auf der Brust losgeschickt, als die bekenntnisfreie Schule eingeführt wurde. Sie verkörperten die Prüderie des langen Rocks und der stinkenden Achselhöhle, sie waren die Goten, die arabische Sauberkeit und jüdische Sparsamkeit haßten; wenn man sich badete, so bewies das, daß man zu den Mauren gehörte, und Wucher war ein hebräisches Laster. Sie waren die Sprachverderber, Laura, du mußtest sie hören, um es glauben zu können. Ohne zu erröten, sprachen sie von den Werten, die sie verteidigten, dem glühenden Atem Gottes, der angestammten edlen Heimstatt des Vaterlandes, der sittsamen und würdigen Frau, der fruchtbaren, Ähren gebärenden Ackerfurche, wetterten gegen die republikanischen Eunuchen und die jüdischen Freimaurer, die marxistische Sirene, die exotische Ideen in Spanien einführe und Zwietracht auf dem Feld des Glaubens der spanischen Katholiken säe: vaterlandslose Kosmopoliten, Renegaten, Horden, die nach dem Blut der Spanier und Christen dürsteten, rote Kanaillen! Und deshalb waren Albertis Kostümbälle auf dem Dach des von Bomben erleuchteten Theaters wie die Herausforderung eines anderen Spanien, das sich dank seiner Phantasie der Unterdrückung entzieht. Ich habe dort zwei junge Männer der Internationalen Brigaden kennengelernt, zwei Nordamerikaner, mit denen ich mich später anfreunden sollte. Der italienische Kommunist Palmiro Togliatti und der französische Kommunist André Marty hatten den Auftrag übernommen, die Internationalen Brigaden zu bilden. Seit Juli 1936 hatten ungefähr zehntausend ausländische Freiwillige die Pyrenäen überquert, und Anfang November befanden sich etwa dreitausend davon in Madrid. Die Losung des Augenblicks war: No pasarân – Sie kommen nicht durch. Die Faschisten nicht, die Brigadisten schon, sie wurden mit offenen Armen empfangen. Die Cafés füllten sich mit ihnen und ausländischen Journalisten. Ihnen allen riefen die Leute zu: ›Es leben die Russen.‹ Unter ihnen war auch ein kommunistischer, aber aristokratischer Deutscher, und ich kann seinen fabelhaften Namen nicht vergessen: Arnold Friedrich Vieth von Golßenau. Er ging auf mich zu, als hätte er mich wiedererkannt, sprach mich mit ›Maura‹ und meinen übrigen Familiennamen an, als wollte er sich mit mir auf eine Stufe stellen, damit ich diese Art von unerschütterlicher Überlegenheit teilte, die es bedeutet, Aristokrat und Kommunist zu sein. Er spürte mein Zögern und sagte lächelnd: ›Auf uns kann man sich verlassen, Maura. Wir haben nichts zu gewinnen. Unsere Ehrlichkeit ist über jeden Zweifel erhaben. Eine Revolution sollte nur von reichen Aristokraten geführt werden, von Leuten ohne Minderwertigkeitsgefühle oder wirtschaftliche Probleme. Dann würde es keine Korruption geben. Die Korruption richtet die Revolutionen zugrunde und läßt die Leute denken, wenn schon das alte Regime abscheulich war, so ist es das neue noch mehr, und wenn die Konservativen keine Hoffnungen mehr geweckt haben, so haben die Linken diese Hoffnungen verratene – ›Das geht vorbei‹, habe ich in versöhnlichem Ton geantwortet, Revolutionen werden von Aristokraten und Arbeitern verloren und von den Bourgeois gewonnene – ›Ja‹, das gab er zu, ›die haben immer

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