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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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vereinte sie.
    Es heißt, daß man sie schließlich durch den Sand der Arena schleifte, mit ihren Füßen wirbelte sie den Staub des Platzes auf, bis sie sich selbst mit Erde bedeckte und in Wolkenschleiern verschwand. Feuer und Sturm, diese Todfeinde, gingen an jenem Morgen einen Pakt ein, gemeinsam fielen sie über die kleine Stadt Santa Fe de Palencia her und erstickten das Krachen der Gewehre, als sich Basilio, Domingo und Jorge  der Welt zuwandten, um so das Leben der geopferten Frau zum letztenmal zu ehren, sie blickten einander an und liefen in die Berge, um die Herolde zu warnen: nicht das Feuer zu löschen, die Zitadelle der Republik sei nicht besiegt.
    »Was für einen Beweis bringt ihr?«
    »Eine Handvoll Asche.«
    Sie sahen nicht den in Blättern erstickenden herbstlichen Fluß, der sich schon eifrig bemühte, nach der trockenen Sommerzeit neues Leben zu gewinnen.
    Sie ahnten nicht, daß das Eis des nächsten Winters die Flügel der Adler mitten im Flug lahmen wurde.
    Sie waren längst weit weg, als die Menge mit ihrem Geschrei wie mit einer Peitsche den Platz heimsuchte, auf dem Pilar Mén-dez erschossen worden war und ihr Vater, der Bürgermeister, zum Volk sagte: »Ich habe es für die Partei und für die Republik getan.« Dabei wagte er nicht, zu dem Fenstergitter hochzublicken, wo ihn seine Frau Clemencia mit befriedigtem Haß beobachtete und ihm insgeheim mitteilte: »Sag ihnen die Wahrheit, sag sie ihnen, du hast sie töten lassen, aber ich, ihre Mutter, habe sie gehaßt, ich habe sie getötet, obwohl ich sie liebte, ihre Mutter wollte sie retten, obwohl sie sie haßte, obwohl wir beide Franco unterstützten, zur selben Partei gehörten, beide katholisch waren, uns aber an Alter und Schönheit unterschieden.« Clemencia lief zum Spiegel ihres Schlafzimmers und versuchte, in ihrem gealterten Gesicht die Züge ihrer toten Tochter wiederzufinden, nach ihrem Tod würde Pilar noch weniger sein als eine alte, unbefriedigte Frau, die von plötzlichen Wallungen und dem zwischen ihren Beinen begrabenen Gurgeln geplagt wurde. Sie zeichnete die Züge ihrer jungen Tochter auf ihr eigenes, altes Gesicht.
    »Löscht nicht die Feuer. Die Stadt hat sich nicht ergeben.«
    Laura und Jorge  entfernten sich auf der Cinco de Mayo, der Alameda entgegen. Basilio lief in umgekehrter Richtung los, zur Kathedrale. Vidal pfiff, um den Bus Roma-Mérida anzuhalten, und erwischte ihn mitten in der Fahrt. Alle drehten sich noch einmal um und sahen sich ein letztes Mal an, als teilten sie sich eine abschließende Botschaft mit. »Man verläßt nicht den Freund, der einen im Unglück begleitet haï. Freunde retten sich gemeinsam, oder sie sterben gemeinsam.«

 
XV. Colonia Roma:
     
    Als Jorge  Maura wegging, kehrte Laura Dîaz nach Hause zurück, sie ging nachts nicht mehr aus und verschwand auch nicht mehr für ewig lange Tage. Sie war verunsichert. Sie hatte Juan Francisco nicht die Wahrheit gesagt und sich zunächst Vorwürfe gemacht: »Aber ich habe richtig gehandelt, alles ist vorbei. Ich hatte recht, vorsichtig zu sein. War ich feige? War ich überklug? Hätte ich Juan Francisco alles sagen und mich darauf verlassen müssen, daß er sich damit abfindet, hätte ich einen Bruch riskieren sollen und wäre dann wieder allein geblieben, ohne einen von beiden, ohne Jorge , ohne Juan Francisco? Hat Maura nicht gesagt, es sei unsere ganz persönliche Sache und damit heilig, es gebe keinen Grund, keine Moral, die uns zwingen könnte, jemandem von etwas so Intimem zu erzählen?«
    Sie besah sich häufig im Spiegel, nachdem sie in das Haus an der Avenida Sonora zurückgekehrt war. Ihr Gesicht veränderte sich nicht, so viele Stürme sie auch in ihrem Inneren erschüttert hatten. Bis jetzt. Doch von diesem Augenblick an war sie manchmal das frühere Mädchen und dann wieder eine unbekannte Frau – eine andere. Wie sahen ihre Söhne, ihr Mann sie? Santiago und Danton sahen sie nicht an, sie wichen Lauras Augen aus, liefen schnell, manchmal rannten sie, wie junge Menschen rennen, die hochspringen, als wären sie noch Kinder, wenn auch nicht fröhlich, vielmehr zogen sie sich von ihr zurück, um weder ihre Anwesenheit noch ihre Abwesenheit anzuerkennen.
    »Um nicht zugeben zu müssen, daß ich nicht treu war. Daß ihre Mutter untreu war.«
    Sie sahen Laura nicht an, aber Laura hörte sie. Das Haus war nicht groß, und die Stille zog die Echos in die Länge. Das Haus war zu einem Schneckengehäuse geworden.
    »Warum zum Teufel haben

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