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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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zwischen dir und mir ist das, was nicht länger warten kann, was sich angekündigt hatte, was schon geschehen ist und trotzdem weiter geschieht, wir erleben eine Vorwegnahme des Todes, denn vor unseren Blicken, Laura, eröffnet sich die Zukunft, als hätte sie bereits stattgefunden.
    »Und das wissen nur die Toten.«
    »Ich stelle euch eine Frage.« Fredric Bell wandte sich an seine Wochenendgäste in Cuernavaca. »Wir alle wußten, daß die Industrie während des Kriegs und durch den Krieg gewaltige Profite gemacht hat. Ich frage euch: Hätten wir gegen diese Ausbeuter der Arbeit nicht in Streik treten müssen? Wir haben es nicht getan. Wir waren ›Patrioten‹, wir waren ›Nationalisten‹, keine Revolutionärem«
    »Und wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten, weil die amerikanischen Arbeiter gegen die amerikanischen Kapitalisten gestreikt hätten?« fragte der Epikureer, der trotz der Hitze seinen Binder nicht ablegte.
    »Willst du mir sagen, ich soll zwischen dem Selbstmord heute nacht oder der Erschießung morgen früh wählen? Wie Rommel?« griff der Mann mit der quadratischen Kinnlade und den erloschenen Augen ein.
    »Ich sage, daß wir im Krieg sind, der Krieg ist nicht zu Ende und wird auch nie enden, die Bündnisse wechseln, an einem Tag gewinnen sie, an einem anderen wir. Es kommt darauf an, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren – und das Sonderbare ist, daß das Ziel der Ursprung ist, merkt ihr das? Das Ziel ist die ursprüngliche Freiheit des Menschen«, schloß die lebende Reklame für Arrow-Hemden.
    »Nein«, sagte Harry zu Laura, »der Ursprung war nicht die Freiheit, der Ursprung war der Schrecken, der Kampf gegen die Bestien, das Mißtrauen unter Brüdern, der Kampf um die Frau, die Mutter, das Patriarchat, die Bewahrung des Feuers, es durfte nicht erlöschen, Kinderopfer, um den Tod in die Flucht zu schlagen, Seuchen, Orkane, das war der Ursprung. Es gab niemals ein Goldenes Zeitalter. Und es wird es niemals geben. Du kannst kein guter Revolutionär sein, wenn du das nicht glaubst.«
    »Und McCarthy? Und Berija?«
    »Das sind die Zyniker. Die haben nie an etwas geglaubt.« »Ich respektiere dein Drama, Harry. Ehrenwort, ich respektiere dich sehr.«
    »Verliere keine Zeit, Laura. Komm, gib mir einen Kuß.« Als Harry tot war, fuhr Laura Dïaz nach Cuernavaca, um es den Emigranten mitzuteilen. Sie hatten sich wie an jedem Samstagabend versammelt, und Ruth tischte wieder einmal große Mengen Pasta auf. Laura sah, daß sich der Personenzettel verändert hatte, aber die Rollen dieselben geblieben waren, die Fehlenden wurden durch neue Rekruten ersetzt. McCarthy fand unermüdlich neue Opfer, der Flecken der Verfolgungen breitete sich aus wie eine Öllache auf dem Meer, wie gewaltsam in den Penis eingespritzter Eiter. Theodore, der alte Produzent, war gestorben, und seine Frau Elsa hatte das Leben ohne ihn nicht sehr lange ertragen; der Mann mit der Schildpattbrille hatte die Möglichkeit erhalten, in Frankreich zu filmen, ein anderer durfte wieder Drehbücher für Hollywood schreiben, aber unter Pseudonym, indem er einen Strohmann benutzte.
    Andere lebten weiter in Mexiko, in dem Fredric Bell umgebenden Kreis, und sie wurden von Vertretern der mexikanischen Linken unterstützt, wie den Riveras oder dem Photographen Gabriel Figueroa in der Hauptstadt, und sie blieben stets den Argumenten treu, die es ihnen erlaubten, weiterzuleben, sich zu erinnern und zu diskutieren, den Schmerz zu lindern, den die wachsende Liste der Verfolgten, Ausgegrenzten, Inhaftierten, Emigrierten, zum Selbstmord Gezwungenen und Vermißten hervorrief; den zunehmenden Anzeichen des Alters gegenüber stellten sie sich taub, übersahen die heimlichen, doch unzweifelhaften, gründlichen Veränderungen im Spiegel. Nun wurde Laura Dïaz zum Spiegel. »Harry ist tot«, sagte sie zu ihnen, und alle wurden schlagartig älter. Doch Laura spürte gleichzeitig mit offenkundiger Rührung, daß alle und jeder einzelne wie Funken ein und desselben Feuers sprühten. Als sie ihnen die einfache Nachricht »Harry ist tot« mitteilte, löste sich eine Sekunde lang die Angst, die sie alle, selbst die Tapfersten, verfolgte, die Angst, die der von Joe McCarthy am besten abgerichtete Spürhund war, um den »Roten« in die Fersen zu beißen. Sie löste sich in so etwas wie einem Seufzer, einer Erleichterung auf. Ohne ein Wort sagten alle zu Laura, daß Harry sich nun nicht mehr quälen müsse. Und er quälte sie nicht mehr.
    Ihr genügten die

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