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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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Blicke der Amerikaner, die Zuflucht in Cuernavaca gesucht hatten, um sich vor den Verfolgungen Mc-Carthys zu schützen, damit sich in ihrer Seele die unerträglichen Erinnerungen an all das überstürzten, was Harry Jaffe gewesen war, seine Zärtlichkeit und sein Zorn, sein Mut und seine Angst, seine schmerzhafte politische Erfahrung, die zum körperlichen Schmerz wurde. Sein Leiden, ihr Geliebter Harry als ein leidender Mensch, nichts weiter.
    Der Brite Bell sagte, wenn jemand vom »Ausschuß für unamerikanische Umtriebe« des Kongresses vorgeladen werde, könne er sich für eine von vier Möglichkeiten entscheiden.
    Er könne sich auf den Ersten Zusatzartikel zur Verfassung berufen, der die Rede- und Vereinigungsfreiheit garantiere. Das Risiko einer solchen Haltung bestehe darin, daß man sie als eine Mißachtung des Kongresses ansehe und daß der Betreffende verhaftet werde. So sei es den Hollywood Ten ergangen.
    Die zweite Möglichkeit sei, sich auf den Fünften Zusatzartikel zur Verfassung zu berufen, der jedem Bürger das Recht gebe, sich nicht selbst zu belasten. Diejenigen, die sich dafür entschieden, »den Fünften zu nehmen«, setzten sich der Gefahr aus, ihre Arbeit zu verlieren und auf die schwarze Liste zu kommen. So sei es den meisten Emigranten in Cuernavaca ergangen.
    Und die dritte Möglichkeit sei es, zu denunzieren, Namen zu nennen und darauf zu vertrauen, daß so die Studios auch weiter Arbeit für einen hatten.
    Dann geschah etwas Außergewöhnliches. Alle, die siebzehn Gäste und Bell, seine Frau und Laura, verließen das Haus und fuhren zu dem kleinen Friedhof in Tepoztlân, auf dem Harry Jaffe begraben war. Der Mond schien, das Feld der bescheidenen, mit Blumen geschmückten Gräber lag unterhalb der eindrucksvollen Felshöhe El Tepozteco und ihrer dreistufigen Pyramide, der Berg erstreckte sich bis hinab zu den blauen, rosaroten, weißen und grünen Kreuzen, als wäre es kein Gräberfeld, sondern ein weiteres Blütenmeer der mexikanischen Tropen. Die wie immer am Abend in Tepoztlân zu früh hereinbrechende Kälte breitete sich aus, und die Gringos trugen Jacken, Schals und sogar Parkas.
    Trotz des Mondscheins warfen die Berge einen riesigen Schatten über das Tal, und sie selbst, die Verfolgten, die Emigranten, bewegten sich wie ein Abbild, waren wie die dunklen Flügel eines fernen Adlers, eines Vogels, der sich eines Tages im Spiegel betrachtet und nicht mehr wiedererkennt, weil er ein bestimmtes Bild von sich hatte und nun sieht, daß es falsch war.
    Da, in der Nacht von Tepoztlân, im Mondlicht, wie in der letzten Aufführung des Group Théâtre (dem der Schließung vorausgehenden Bild vor einem leeren Saal), sagte jeder einzelne Emigrant etwas am Grab Harry Jaffes, jenes Mannes, den sie in die Gruppe aufgenommen hatten, den aber niemand ansah, außer Laura, die eines Tages gekommen war, in ein mit Bougainvilleen überwachsenes Becken tauchte und hinauskletterte, um ihren armen, unglücklichen, kranken Liebsten zu entdecken.
    »Du hast nur jene genannt, die andere schon genannt hatten.«
    »Alle, die du genannt hast, standen schon auf der schwarzen Liste.«
    »Als du wählen mußtest, entweder deine Freunde zu denunzieren oder dein Vaterland zu verraten, hast du dich fürs Vaterland entschieden.«
    »Du hast dir gesagt, wenn du weiter in der Partei bliebest, würde deine Inspiration versiegen.«
    »Die Partei hat dir gesagt, wie du schreiben und denken solltest, und du hast dich dagegen aufgelehnt.«
    »Zuerst hast du dich gegen die Partei aufgelehnt.«
    »Der Gedanke erschreckte dich, daß der Stalinismus in den USA ebenso wie in der UdSSR regieren könnte.«
    »Du bist vor dem Ausschuß erschienen und hast ausgesagt, und du hast vor Angst gezittert. Hier in Amerika gab es aber schon das gleiche, was du gefürchtet hattest. Der Stalinismus verhörte dich, aber hier hieß er McCarthyismus.«
    »Du hast keinen einzigen Namen angegeben.«
    »Du hast dich McCarthy entgegengestellt.«
    »Warum hast du das getan, wo du doch wußtest, daß sie längst Bescheid wußten? Um die Denunzianten zu denunzieren, Harry, um die Ehrabschneider zu entehren, Harry.«
    »Um wieder arbeiten zu können, Harry. Bis du gemerkt hast, daß es auf das gleiche herauskam, ob man denunzierte oder nicht. Die Studios geben den Roten keine Arbeit. Aber sie geben auch denen keine Arbeit, die gestehen, Rote zu sein, und die ihre Kameraden verraten.«
    »Es blieb kein Ausweg, Harry.«
    »Du wußtest, daß der

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