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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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selber heraus?«
    »Ich würde nichts hinter deinem Rücken tun.«
    »Sei nicht so begriffsstutzig. Ich gestatte es dir. Geh nach Cuernavaca, frag sie nach mir, sag ihnen, daß ich es erlaubt habe: daß sie die Wahrheit sagen sollen.«
    »Die Wahrheit, Harry?«
    (Die Wahrheit ist, daß ich dich liebe, Harry, ich liebe dich auf eine andere Art, als ich damals meinen Mann, Orlando Ximénez oder sogar Jorge  Maura geliebt habe, ich liebe dich natürlich auch, wie ich sie geliebt habe, als eine Frau, die mit einem Mann lebt und mit ihm schläft, aber mit dir ist es noch etwas anderes, Harry, ich liebe dich nicht nur, wie ich meine Männer geliebt habe, ich liebe dich auch, wie ich meinen Bruder Santiago den Älteren und meinen Sohn Santiago den Jüngeren geliebt habe, ich liebe dich, als hätte ich dich schon sterben sehen, Harry, wie meinen in Veracruz gestorbenen und in den Wellen bestatteten Bruder, ich liebe dich, wie ich meinen Sohn Santiago habe sterben sehen, dessen unerfüllte Verheißung wie ein Blitz aufleuchtete, wie meinen schicksalsergebenen, schönen Sohn, Harry, so liebe ich dich, wie einen Sohn, einen Bruder und Geliebten, mit nur einem Unterschied, mein Liebster, die anderen liebte ich als Frau, Mutter und Geliebte, und dich liebe ich wie eine Hündin, ich weiß, weder du noch sonst jemand wird mich verstehen, ich liebe dich wie eine Hündin, ich möchte dich gebären, und danach will ich verbluten, damit erscheinst du mir anders als mein Ehemann, meine Geliebten oder meine Söhne, meine Liebe zu dir ist die Liebe eines Tiers, das deinen Platz einnehmen und an deiner Stelle sterben möchte, dies aber nur um den Preis, deine Hündin zu werden, so etwas habe ich nie zuvor empfunden, ich möchte es mir erklären, und ich weiß nicht, wie, doch so ist es, und es ist so, Harry, weil ich mir erst jetzt, an deiner Seite, Fragen stelle, die ich mir nie zuvor gestellt habe, ich frage mich, ob wir die Liebe verdienen, ich frage mich, ob die Liebe das ist, was wirklich existiert, nicht du und ich, und deshalb möchte ich ein Tier sein, deine blutende, sterbende Hündin, damit ich sagen kann, daß es die Liebe wirklich gibt, wie es einen Hund und eine Hündin gibt, ich will deine und meine Liebe von allen romantischen Idealvorstellungen befreien, Harry, ich will deinem und meinem Körper die letzte Chance geben, indem ich sie im tiefsten, aber konkretesten und sichersten Boden verwurzele, dem Boden, auf dem ein Hund und eine Hündin wittern, fressen, sich im Geschlechtsakt ineinanderschlingen, sich trennen und vergessen, weil ich mit der Erinnerung an dich leben muß, wenn du stirbst, Harry, und meine Erinnerung an dich wird nie vollständig sein, weil ich nicht weiß, was du während der Schreckenszeit getan hast, du sagst es mir nicht, vielleicht warst du ein Held, und deine Bescheidenheit tarnt sich als rauflustige Ehre, wie bei John Garfield, damit du mir keine Heldentaten erzählen und dein Herz nicht der Rührseligkeit ausliefern mußt, du, der bei einem Film von Libertad Lamarque weint, aber vielleicht warst du auch ein Verräter, Harry, ein Denunziant, und es beschämt dich, und darum möchtest du nach Spanien zurück, wieder jung sein, im Krieg an der Seite deines jungen Freundes Jim sterben und Krieg und Tod anstelle von Geschichte und Entehrung bewältigen. Was ist die Wahrheit? Ich glaube ersteres, denn sonst würden sie dich in Cuernavaca nicht aufnehmen im Kreis der Opfer, aber es kann auch das zweite sein, denn sie sehen dich nie an, richten nie das Wort an dich, sie laden dich ein und lassen dich Platz nehmen, ohne dich anzusprechen, ohne dich anzugreifen, bis dein Stuhl zur Angeklagtenbank wird, und du lernst mich kennen und bist nicht mehr allein, und wir müssen aus Cuernavaca weg, deine Genossen zurücklassen, um nicht mehr die bis zum Überdruß wiederholten Argumente zu hören…)
    »Schon vor dem Krieg hätten wir die Verbrechen Stalins anprangern müssen.«
    »Mach dir nichts vor. Sie hätten dich aus der Partei ausgestoßen. Außerdem muß man, wenn es gegen den Feind geht, das vergessen, was man vergessen muß.«
    »Das schließt nicht aus, daß wir die Fehler der UdSSR wenigstens untereinander hätten diskutieren müssen, das wäre menschlicher gewesen, wir hätten uns besser gegen den Angriff McCarthys verteidigen können.«
    »Wie hätten wir uns vorstellen sollen, was geschehen würde?« sagte Harry an einem Abend zu Laura, während er sein Bier in der Dämmerung trank. Sie saßen in

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