Die Jahre mit Laura Diaz
ihrem kleinen Garten, mit dem Rücken zum Gebirge, zum Duft der sich öffnenden Blüten und der sterbenden Bäume. »Wir amerikanischen Kommunisten haben zuerst in Spanien gekämpft, dann im Krieg gegen die Achsenmächte, die französischen Kommunisten haben den Widerstand organisiert, die Russen haben uns in Stalingrad gerettet –wer hätte gedacht, daß es nach Kriegsende eine Sünde sein würde, wenn man Kommunist war, und daß wir deshalb alle auf den Scheiterhaufen kommen würden? Wer?«
Wieder eine Zigarette. Noch ein Dos Equis.
»Die Treue zum Unmöglichen. Das war unsere Sünde.«
Laura hatte ihn gefragt, ob er verheiratet war, und Harry hatte mit ja geantwortet, aber er wolle lieber nicht darüber reden.
»Alles ist vorbei«, wollte er das Thema abschließen.
»Du weißt, daß es nicht so ist. Du mußt mir alles erzählen. Wir müssen es gemeinsam erleben. Wenn wir tatsächlich weiter zusammenleben, Harry.«
»Die Ärgernisse, die Streitigkeiten, die Predigten, die Probleme mit den Geheimversammlungen, der Verdacht, daß die Ankläger recht hatten? ›Ich habe eine Kommunistin geheiratete Das klingt wie der Titel eines jener schlechten Filme, die sie fabrizieren, um den McCarthyismus als Patriotismus zu rechtfertigen. So waschen sich die Magnaten der Studios von der Schuld ihrer rosaroten Sympathien rein. Fuck them. We'll see tomorrow.«
»Warst du deiner Ehefrau gegenüber ehrlich?«
»Ich war schwach. Ich habe mich ihr anvertraut, habe ausgepackt. Ich habe ihr von meinen Zweifeln erzählt. ›Taugt das was, was ich für den Film geschrieben habe, oder hat man mir nur weisgemacht, daß es gut wäre, weil es der Sache gedient hat – der Sache, der einzigen guten Sache? Bezahlen wir jetzt den Preis für etwas, das sich nicht gelohnt hat?‹ Und sie hat gesagt: ›Harry, was du schreibst, ist Scheiße. Aber nicht, weil du Kommunist bist, Liebster. Dein genialer Funke ist erloschen. Sieh die Dinge, wie sie sind. Du hattest Talent, Hollywood hat es dir gestohlen. Es war ein kleines Talent, aber immerhin. Du hast das wenige verloren, was du hattest.‹ Das hat sie zu mir gesagt, Laura.«
»Mit mir wird es anders sein.«
»Ich kann nicht, ich kann nicht. Ich kann nicht mehr.«
»Ich will mit dir zusammenleben« (im Namen meines Bruders Santiago und meines Sohnes Santiago, ich will mich so um dich kümmern, wie ich mich um sie nicht habe kümmern können, es vielleicht auch nicht wollte, das verstehst du, du ärgerst dich und verlangst von mir, daß ich dich nicht wie ein Kind behandle, und ich zeige dir, daß ich nicht deine Mutter bin, Harry, ich bin deine Hündin, eine Mutter benutzt du nicht wie ein Tier, auch eine Geliebte nicht, das läßt die romantische Gefühlsduselei Hollywoods nicht zu, aber in meinem Fall bitte ich dich darum, laß mich deine Hündin sein, selbst wenn ich dich manchmal anbelle, ich bin nicht deine Mutter, deine Ehefrau oder deine Schwester…)
»Be my bitch.«
Er rauchte und trank, und mit jedem Zug gefährdete er seine Lunge und sein Blut. Sie tat so, als tränke sie mit ihm zusammen, trank Apfelmost und gab vor, es sei Whisky, sie fühlte sich wie eine Nachtclubhure, die an gefärbtem Wasser nippt und dem Kunden vorspielt, es sei französischer Cognac. Sie schämte sich des Betrugs, aber sie wollte nicht selbst krank werden, wer würde sich dann um Harry kümmern? An einem Morgen des Jahres 1952 war sie in Cuernavaca aufgewacht, hatte neben sich den schwachen, kranken Mann schlafen sehen, und damals unvermittelt entschieden, daß sie ihr Leben fortan seiner Pflege widmen, für ihn sorgen wollte. Mein Leben hat nur einen Sinn, wenn ich es für das Leben eines anderen einsetze, der mich braucht, mich um den Bedürftigen zu kümmern, meinem Liebsten meine Liebe zu schenken, vollständig, ohne Bedingungen oder arrière-pensées, wie Orlando sagen würde, das ist jetzt mein Lebenssinn, selbst wenn es zu Streit, Unverständnis oder Verärgerungen kommen sollte, wenn wir Teller zerschlagen und ganze Tage nicht miteinander reden, das ist besser so, ohne solche Grobheiten würden wir zu honigsüßen Schmeichlern werden, ich will meinem Ärger auf ihn freien Lauf lassen und ihn nicht zurückhalten, ich will der Liebe eine letzte Chance geben, will Harry im Namen dessen lieben, was er nicht mehr erhoffen kann, ich will diesen Augenblick meines Lebens gestalten, und er ist schon gekommen, und ich weiß, daß er das gleiche denkt, Laura, this is tbe last chance, diese Beziehung
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