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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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Antikommunismus die Zufluchtsstätte des amerikanischen Lumpenpacks ist.«
    »Du hast keine Lebenden genannt. Aber du hast auch keine Toten genannt.«
    »Du hast jene nicht genannt, die andere nie genannt hatten. Du warst auch nicht der einzige, der jene genannt hat, die andere schon genannt hatten.«
    »Du hast nicht einmal jene genannt, die dich genannt hatten, Harry.«
    »Die Partei hat dich zum Nachgeben aufgefordert. Du hast gesagt, du verabscheutest zwar die Partei, aber du wolltest dich nicht dem Ausschuß unterwerfen. Die Partei war immer noch besser als der Ausschuß.«
    »Mein schlimmster Moment war der, als ich meiner Frau nicht sagen konnte, was vor sich ging. Der Verdacht hat unsere Ehe zugrunde gerichtet.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich versteckt in einem Haus mit ausgeschaltetem Licht lebte, um zu verhindern, daß mich die Beauftragten des Ausschusses vorluden.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich erfuhr, daß man
    meine kleinen Kinder in der Schule wie Aussätzige behandelte.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich meinen Kindern nicht erzählte, was vor sich ging, obwohl ich wußte, daß sie längst alles wußten.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich mich zwischen meinem sozialistischen Ideal und der sowjetischen Wirklichkeit entscheiden mußte.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich zwischen der literarischen Qualität meiner Arbeit und den dogmatischen Forderungen der Partei wählen mußte.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich wählen mußte, entweder gut oder, wie das Studio es wollte, für die Kassen zu schreiben.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich McCarthy ins Gesicht blickte und begriff, daß die amerikanische Demokratie verloren war.«
    »Mein schlimmster Moment war, als der Kongreßabgeordnete John Rankin zu mir sagte: ›Sie heißen nicht Melvin Ross, in Wahrheit ist Ihr Name Emmanuel Rosenberg, und das beweist, daß Sie ein Fälscher sind, ein Lügner, ein Verräter, ein unverschämter Jude.‹«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich dem begegnet bin, der mich denunziert hatte, und als ich gesehen habe, wie er sich aus bloßer Scham das Gesicht mit den Händen zudeckte.«
    »Mein schlimmster Moment war, als der, der mich denunziert hatte, zu mir kam und mich weinend um Verzeihung bat.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich von den widerlichen Gesellschaftskolumnisten erwähnt wurde, von Sokolsky, Winchell und Hedda Hopper. Die haben mich schlimmer als McCarthy besudelt. Ihre Tinte roch nach Scheiße.«
    »Mein schlimmster Moment war, als ich meine Stimme am Telefon verstellen mußte, damit ich mit meiner Familie und meinen Freunden reden konnte, ohne sie zu kompromittieren.«
    »Sie haben zu meiner Tochter gesagt: Dein Vater ist ein Verräter. Du darfst nichts mit ihm zu tun haben.«
    »Die Freunde haben zu meinem Sohn gesagt: Weißt du, wer dein Vater ist?«
    »Sie haben zu meinen Nachbarn gesagt: Redet nicht mehr mit dieser Familie von Roten.«
    »Was hast du ihnen gesagt, Harry Jaffe?«
    »Ruhe in Frieden, Harry Jaffe.«
    Alle kehrten nach Cuernavaca zurück. Verwirrt, gerührt und ratlos lief Laura Dïaz zu ihrem Häuschen in Tepoztlän, um ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen. Sie fand auch ihren eigenen Schmerz und den Harrys wieder. Sie nahm ihn auf sich und zog sich zurück. Als sie mit Harrys Geist allein war, fragte sie sich, ob sich der Schmerz, den sie fühlte, mit anderen teilen ließ. Ihr Verstand sagte ihr, nein, es gibt nur den eigenen, unübertragbaren Schmerz. Obwohl ich deinen Schmerz sah, Harry, konnte ich ihn nicht so fühlen, wie du ihn gefühlt hast. Mein Schmerz, der Schmerz von Laura Dïaz, ist der einzige Schmerz, den ich fühle. Aber ich kann im Namen deines Schmerzes sprechen, das ja. Der Schmerz eines Mannes namens Harry Jaffe, der an einem Lungenemphysem starb, an sich selbst erstickte, von der Luft verstümmelt, mit geknickten Flügeln.
    »Außer den drei genannten Antworten vor dem McCarthy-Ausschuß«, sagte Fredric Bell, der Laura Dïaz am Abend vor ihrer Rückkehr nach Mexico-Stadt besuchte, »gab es noch eine vierte. Sie nannte sich ›die exekutive Zeugenaussage‹, Executive Testimony. Zeugen, die später öffentlich denunzieren sollten, wurden zuvor nichtöffentlich befragt. Die öffentliche Verhandlung folgte dann aber dennoch. Der Ausschuß wollte Namen wissen. Sein Verlangen nach Namen war unersättlich, sitis non satiata. Gewöhnlich wurde der Zeuge zunächst in ein Hotelzimmer bestellt und konnte dort, wie

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