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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hatte sich in der öffentlichen Meinung bezüglich des verurtheilten Joam Dacosta ein völliger Umschwung vollzogen. An Stelle der Erbitterung war das Mitleid getreten. Jetzt strömte die Bevölkerung Manaos nicht mehr vor dem Gefängnisse zusammen, um den Tod des Fazenders zu verlangen. Im Gegentheil erklärten nun Diejenigen, welche ihn früher am lautesten verdammten und von seiner Schuld bezüglich des Verbrechens in Tijuco überzeugt waren, mit demselben Ungestüm, daß er sofort auf freien Fuß gesetzt werden sollte – wie die große Menge ja gewöhnlich von einem Extrem zum anderen überzuspringen pflegt.
    An Gründen für diese Meinungsveränderung fehlte es freilich nicht.
    Die Ereignisse der letzten beiden Tage, der Zweikampf zwischen Benito und Torres, die Aufsuchung des unter so merkwürdigen Umständen wieder an’s Licht gekommenen Leichnams, die Auffindung des, wenn man so sagen darf »undechiffrirbaren« Documentes, der Zeilen, von denen man überzeugt war oder sich doch die Ueberzeugung einredete, daß sie den materiellen Beweis der Schuldlosigkeit Joam Dacosta’s enthielten, da das Schriftstück von dem wahren Schuldigen ausging – Alles hatte dazu beigetragen, diesen Umschwung der öffentlichen Meinung herbeizuführen. Was man noch vor achtundvierzig Stunden wünschte und mit Ungeduld erwartete, nämlich das Eintreffen der Instructionen von Rio de Janeiro, das fürchtete man jetzt eben so ängstlich.
    Lange konnte es ja bis dahin nicht dauern.
    Joam Dacosta war am 24. August verhaftet und am nächsten Tage verhört worden. Der Bericht des Beamten wurde am 26. abgesendet. Binnen drei bis höchstens vier Tagen mußte der Minister ein Entscheidung bezüglich des Verurtheilten fällen, und es erschien nur zu gewiß, daß »die Gerechtigkeit ihren Lauf haben werde«.
    In der That zweifelte daran Niemand. Daß der Nachweis der Unschuld Joam Dacosta’s sich aus dem Document ergeben werde, daran zweifelte auch andererseits Niemand, weder seine Familie noch die Einwohnerschaft Manaos, welche allen Phasen dieses Dramas mit größter Spannung folgte. Und doch konnte jenes Document in den Augen nichtinteressirter und unparteiischer Beurtheiler, welche nicht unter dem Eindrucke der Ereignisse standen, eigentlich gar keinen Werth beanspruchen, vorzüglich da ja nicht einmal der Beweis erbracht war, daß es sich überhaupt auf den Ueberfall im Diamantendistrict beziehe. Daß es existirte, war freilich unzweifelhaft, ebenso, daß man es an Torres’ Leichnam gefunden hatte. Weiter ließ sich durch Vergleichung des Briefes, in dem Torres Joam Dacosta denuncirt hatte, nachweisen, daß jenes nicht von der Hand des Abenteurers abgefaßt sein könne. Dagegen warf der Richter Jarriquez freilich mit Recht ein, wie damit keineswegs die Annahme ausgeschlossen sei, daß der Elende es habe zu betrügerischen Zwecken von einem Anderen anfertigen lassen. Das wurde noch mehr dadurch bekräftigt, daß er dasselbe erst nach der Vermählung mit der Tochter des Fazenders hatte ausliefern wollen, das heißt erst dann, wenn an dem Geschehenen nichts mehr zu ändern wäre.
    Auf jeden Fall konnte man über den Werth des Documentes sehr abweichende Anschauungen haben, ein Umstand, welcher die Erhitzung der Gemüther nur noch begünstigte. Die Lage Joam Dacosta’s war und blieb ohne Zweifel eine sehr gefährliche. Wurde das Document nicht enträthselt, so war es so gut wie nicht vorhanden, und gelang die Lösung dieser außerordentlichen kryptographischen Aufgabe nicht binnen drei Tagen, so schien die Hinrichtung des in Tijuco Verurtheilten unausweichlich.
    Die Wunderthat der Lösung wollte ein Mann vollbringen; dieser Mann war kein Anderer als der Richter Jarriquez, und jetzt arbeitete er mehr im Interesse Joam Dacosta’s als zur Befriedigung seiner eigenen Liebhaberei. Auch seine Ansicht von der Sache hatte sich vollständig geändert. Bot jener Mann, der sein Versteck in Iquitos freiwillig verließ, der sich selbst auf die Gefahr seines Lebens hin stellte, um von einem Gerichtshofe Brasiliens seine Rehabilitation zu verlangen, nicht ein moralisches Räthsel, welches für seine Unschuld mehr sprach als manche andere Beweise?
    Das Document wollte der Beamte jedenfalls nicht aus der Hand legen, bis er den Schlüssel dazu gefunden hatte; er ging in diesem Streben vollständig auf; er aß nicht mehr, er schlief nicht mehr – jede Minute seiner Zeit verwandte er dazu, Zahlen zu combiniren und auf Grund derselben den Schlüssel zu

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