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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ansehen mochte.
    Auf einen Wink des Beamten setzte er sich noch einmal nieder und nahm das Gespräch mit ruhigerer Stimme wieder auf.
    »Sagen Sie mir, Herr Richter, was veranlaßt Sie zu glauben, daß das Document nach einer untergelegten Chiffre, oder wie Sie sagten, nach einer Zahl abgefaßt ist?
    – Hören Sie mich an, junger Mann, erwiderte der Richter, und Sie werden bald selbst zu dieser Ueberzeugung kommen.«
    Der Beamte ergriff das Document und hielt es Manoel vor Augen, um diesem das Nähere mitzutheilen.
    »Ich begann meine Bearbeitung des Documentes, sagte er, so wie es geschehen muß, das heißt logisch, und überließ nichts dem Zufalle, das heißt ich bemühte mich zunächst mit Unterlegung eines Alphabets, um auf Grund des mehr oder weniger häufigen Vorkommens der gewöhnlichen Buchstaben in unserer Sprache das Document zu lesen, indem ich gänzlich den von unserem unsterblichen Analytiker Edgar Poë aufgestellten Regeln folgte… Wodurch er jedoch zum Ziele gelangte, das schlug in meinem Falle fehl…
    – Es mißglückte! rief Manoel.
    – Ja freilich, junger Mann, und ich hätte es sogar vorher sehen können, daß auf diese Weise nichts auszurichten war. In der That, ein Geübterer würde sich die vergebliche Mühe gespart haben.
    – Aber, mein Gott, sagte Manoel, ich begreife leider nicht recht…
    – Nehmen Sie das Schriftstück zur Hand, fiel ihm der Richter Jarriquez in’s Wort, achten Sie auf die Aneinanderreihung der Buchstaben und sehen Sie das Ganze noch einmal durch.«
    Manoel that, wie ihm geheißen.
    »Finden Sie in der Stellung gewisser Buchstaben nichts Auffälliges?
    – Ich sehe nichts, antwortete Manoel, nachdem er die Zeilen des Documents vielleicht zum hundertsten Male durchflogen hatte.
    – Nun, beschränken Sie sich darauf, den letzten Absatz genau in’s Auge zu fassen. Sie werden zugeben, daß sich darin, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine Art Auszug der ganzen Niederschrift vorfinden dürfte. – Sehen Sie darin wirklich gar nichts Abnormes?
    – Nichts.
    – Und doch kommt darin Etwas vor, was unzweifelhaft beweist, daß das Document nach einer untergelegten Zahl abgefaßt ist.
    – Das wäre? fragte Manoel.
    – Das ist, oder vielmehr das sind drei
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, welche wir an zwei verschiedenen Stellen direct neben einander stehend finden!«
    Was hier der Richter Jarriquez erwähnte, mußte in der That die Aufmerksamkeit eines scharfen Beobachters erregen. Einerseits bestanden der zweihundertvierte, zweihundertfünfte und zweihundertsechste Buchstabe des Absatzes, andererseits der zweihundertachtundfünfzigste, zweihundertneunundfünfzigste und zweihundertsechzigste Buchstabe aus direct aufeinander folgenden
h
. Diese Eigenthümlichkeit war freilich vorher auch dem Beamten selbst nicht aufgefallen.
    Und das beweist?…. sagte Manoel, ohne zu errathen, welchen Schluß er aus dieser Anhäufung von Lettern ziehen sollte.
    – Das beweist ganz einfach, junger Mann, daß das Document auf einer Zahl basirt. Das beweist
a priori
, daß jeder Buchstabe, entsprechend den verschiedenen Ziffern dieser Zahl und je nach der Stelle, die sie einnehmen, verändert ist.
    – Warum aber?
    – Weil es überhaupt in keiner Sprache ein Wort giebt, in dem drei
h
neben einander vorkommen könnten.«
    Manoel stutzte über dieses Argument, dachte über die Worte nach, fand aber nichts darauf zu erwidern.
    »Und wenn ich das gleich Anfangs bemerkt hätte, fuhr der Beamte fort, so würde ich mir viel Quälerei und die Vorzeichen einer Migräne erspart haben, die sich schon von meiner Stirn bis zum Hinterhaupte ausbreitet.
    – Aber sagen Sie mir, Herr Richter, fragte Manoel, der die letzte Hoffnung, an welche er sich noch klammerte, verschwinden sah, was verstehen Sie hier unter einer Chiffre?
    – Sagen wir unter einer Zahl.
    – Also einer Zahl, wie es Ihnen beliebt.
    – O, das wird Ihnen ein einziges Beispiel klarer machen, als jede theoretische Darlegung.«
    Der Richter Jarriquez ließ sich an dem Schreibtische nieder, ergriff ein Stück Papier, einen Bleistift und sagte:
    »Herr Manoel, nehmen wir einen ganz beliebigen Satz an, den ersten, der uns in den Sinn kommt, z. B.
    » Der Richter Jarriquez ist ein sehr scharfsinniger Kopf.«
    »Ich schreibe diesen Satz nieder, lasse zwischen jeden Buchstaben ein wenig Raum und erhalte so folgende Zeile:
    Der Richter Jarriquez ist ein sehr scharfsinniger Kopf. «
    Nachdem er damit fertig – in den Augen des Beamten schien das ein Axiom zu sein, an welchem

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