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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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diesem Schlosse zu finden.
    Am Ende des ersten Tages war dieser Gedanke im Gehirn des Richters Jarriquez schon zur fixen Idee geworden. In seinem Inneren kochte eine nur schlecht verhehlte Wuth, vor welcher sein ganzes Haus zitterte. Seine weißen oder schwarzen Diener wagten gar nicht mehr, ihm näher zu kommen. Zum Glück war er ein alter Hagestolz, sonst hätte Frau Jarriquez jetzt gewiß bitterböse Stunden gehabt. Noch niemals hatte ein Problem dieses Original von einem Richter so lebhaft interessirt, und er war entschlossen, nicht eher nachzulassen, als bis ihm die Lösung gelungen war, vorausgesetzt, daß sein Kopf nicht sprang wie ein Kessel unter dem Drucke des zu hoch gespannten Dampfes.
    Bei dem würdigen Beamten stand es jetzt unerschütterlich fest, daß der Schlüssel eine zwei-oder mehrzifferige Zahl bilde, daß aber diese Zahl auf keine Weise durch Deduction zu finden sei.
    Gerade das versuchte der Richter Jarriquez aber mit einer wirklichen Wuth, und an diese übermenschliche Arbeit verschwendete er am 28. August alle seine Erfahrung und Fähigkeiten.
    Jene Zahl durch Probiren zu finden, das hieß, wie er gesagt hatte, sich in Millionen Combinationen verlieren, welche mehr als die Lebenszeit eines Rechners ersten Ranges in Anspruch genommen hätten. Wenn man auf die Hilfe des Zufalls aber kaum zählen durfte, konnte man nicht durch Raisonnement auf die richtige Fährte gelangen? Nein, aller Wahrscheinlichkeit nach auch das nicht, obwohl der Richter Jarriquez, nachdem er sich wenige Stunden Schlaf gegönnt, bis zur Unvernunft raisonnirte und Möglichkeiten erwog.
    Wer ihn jetzt, unter Hintansetzung seines strengen Verbotes, ihn ungestört zu lassen, gesehen hätte, würde ihn noch immer vor seinem Schreibtische mit den Augen auf dem Document gefunden haben, während ganze Tausende von Zahlen ihm um den Kopf zu schwirren schienen.
    »Zum Teufel, rief er, warum hat der Schurke, der diese Zeilen schrieb, nicht wenigstens die Wörter seiner Linien abgegrenzt, dann könnte man doch… ja, ja, dann wär’s möglich… aber nein!
     

    Wissen Sie denn, junger Mann… (S. 291.)
     
    Und dann, wenn in diesem Schriftstücke wirklich von dem Diamantendiebstahle die Rede ist, erscheint es ganz unmöglich, daß sich gewisse Wörter nicht darin vorfinden sollten, wie z. B. Arryal, Diamanten, Tijuco, Dacosta und andere, was weiß ich! Und wenn man unter diese ihre kryptologischen Stellvertreter setzte, müßte es gelingen, die untergelegte Zahl zu reconstruiren. Aber nein, nicht eine einzige Trennung! Ein Wort, hätte ich nur ein einziges Wort, nur eines aus diesen zweihundertsechsundsiebzig Buchstaben! Zweihundertsechsundsiebzig Mal soll ihn der Teufel holen, diesen Wicht, der sein System so spitzbübisch zu compliciren wußte! Schon für diesen einen Schurkenstreich verdiente er zweihundertsechsundsiebzigmal den Kopf zu verlieren!«
    Ein kräftiger Faustschlag auf das Document bekräftigte diesen menschenfreundlichen Wunsch.
    »Und doch, fuhr der Beamte fort, wenn ich kaum erwarten darf, mit einem Worte mitten aus dem Texte des Schriftstückes etwas zu erreichen, könnte sich nicht ein geeignetes am Anfange oder am Ende jedes Absatzes finden? Vielleicht ist das ein Ausweg!«
    Der Richter Jarriquez machte sich sofort an diesen Versuch und prüfte die Buchstaben zu Anfang und zu Ende jedes Satzes im Verhältniß zu dem wichtigsten Worte des ganzen Documentes, nämlich zu dem Namen Dacosta.
    Auch das führte ihn aber nicht näher zum Ziele.
    Um nur von dem letzten Absatze und den sieben ersten Buchstaben desselben zu sprechen, so ergab sich folgende Tabelle:
     

    Seine Diener wagten nicht, ihm näher zu kommen. (S. 295.)
     
    P
=
D
    h
=
a
    y
=
c
    j
=
o
    s
=
s
    l
=
t
    y
=
a
     
    Schon das allererste Schriftzeichen paßte nicht in des Richters Berechnungssystem, denn der Unterschied zwischen
p
und
d
im Alphabet ergab nicht eine Ziffer, sondern zwei, nämlich 12, und bei dieser Art von Geheimschrift konnte jeder Buchstabe natürlich nur durch einen einzigen anderen ersetzt sein.
    Das Gleiche ergaben die sieben letzten Buchstaben des Absatzes
p s u v j h d
, deren Reihe ebenfalls mit einem
p
anfing, welches auf keinen Fall dem
D
des Namens Dacosta substituirt sein konnte, weil es ja denselben Abstand von zwölf Buchstaben hatte.
    Dieser Name konnte sich an beiden Stellen unmöglich vorfinden.
    Mit den Wörtern Arrayal und Tijuco, welche er nach und nach probirte und deren Zusammensetzung wiederum nicht der überhaupt

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