Die Jangada
schon mit dreißig Jahren gealtert aussehen, hatte auch sie von Einflüssen des Klimas verhältnißmäßig wenig gelitten. Ihre etwas härter gewordenen, aber doch noch hübschen Züge zeigten den stolzen Typus der portugiesischen Race, in welcher ein schönes Gesicht sich so glücklich mit einer edlen Seele paart.
Minha zählte damals zwanzig Jahre. (S. 34.)
Der einundzwanzigjährige Benito mit seinem lebhaften, zu raschem Handeln geneigten Charakter, unterschied sich darin von seinem ernsteren, mehr überlegten Freunde Manoel. Für Benito war es eine große Freude gewesen, nach einjähriger Abwesenheit in Belem, so fern von der Fazenda, mit seinem jungen Freunde in das elterliche Haus zurückgekehrt zu sein, Vater, Mutter und Schwester wiedergesehen zu haben und sich, bei seiner Vorliebe für die Jagd, inmitten der prächtigen Wälder des oberen Amazonenstromes zu befinden, deren Geheimnisse der Mensch noch nach langen Jahren nicht vollständig entschleiert haben wird.
Minha zählte damals zwanzig Jahre und war ein reizendes junges Mädchen, brünett mit großen, blauen Augen, mit Augen, aus denen man in ihrer Seele lesen konnte. Von mittlerer Größe, schöner Figur und voll natürlicher Grazie, erinnerte sie lebhaft an das Bild Yaquitas. Etwas ernster als ihr Bruder, aber gut, mitleidig und wohlwollend, war sie geliebt von Allen, die mit ihr in Berührung kamen, was ohne Zweifel auch die niedrigsten Diener der Fazenda bestätigt hätten. Manoel Valdez, den Freund ihres Bruders, hätte man freilich nicht fragen dürfen, »wie er sie finde.« Dieser war dabei zu sehr interessirt, um eine unparteiische Antwort geben zu können.
Das Bild der Familie Garral wäre noch nicht vollendet und es würden ihm einige nicht unwichtige Züge fehlen, wenn das zahlreiche Personal der Fazenda hier keine Erwähnung fände.
Zuerst ist da eine alte, sechzigjährige Negerin zu nennen, Cybele, welche zwar frei war nach dem Willen ihres Herrn, aus Liebe zu ihm und den Seinigen aber Sklavin blieb. Das war Yaquitas Amme gewesen. Sie gehörte gänzlich zur Familie und duzte Mutter und Tochter. Das ganze Leben des guten Geschöpfes hatte sich in diesen Feldern, in den Wäldern auf diesen Ufern des Stromes, welche den Horizont der Farm begrenzten, abgespielt. Nach Iquitos war sie zur Zeit gekommen, als noch der Handel mit Negern im Schwunge war, hatte das Dorf niemals verlassen, sich daselbst verheiratet und als sie, frühzeitig verwitwet, ihren einzigen Sohn verloren, war sie in Magelhaës’ Dienst verblieben. Von dem Amazonenstrome kannte sie nicht mehr, als das Stück, das vor ihren Augen vorüberfloß.
Neben ihr, und vorzüglich zur Pflege Minhas, befand sich eine hübsche, lachlustige Mulattin, in gleichem Alter mit dem jungen Mädchen, welche ihrer Herrin unendlich ergeben war. Diese hieß Lina. Sie gehörte zu den artigen, etwas verwöhnten Naturen, denen man eine gewisse Vertraulichkeit gern nachsieht, weil sie auf der anderen Seite ihre Herrinnen geradezu verehren. Lebhaft, keine Minute ruhig, anhänglich und schmeichlerisch zugleich, war ihr im Hause so gut wie Alles erlaubt.
Von anderen Dienern gab es zweierlei: Indianer, etwa hundert, welche für Lohn zu den Arbeiten in der Fazenda gedungen waren, und Schwarze, ungefähr noch einmal so viel, die zwar noch nicht eigentlich frei waren, deren Kinder aber nicht mehr als Sklaven geboren wurden. Joam Garral ging auf diesem Wege der brasilianischen Regierung voraus. Hier zu Lande wurden übrigens die von Benguela, Congo und der Goldküste herstammenden Neger meist besser behandelt als anderswo, und in der Fazenda von Iquitos hätte man vergeblich nach solch’ traurigen Beispielen unmenschlicher Grausamkeit geforscht, wie sie in fremden Niederlassungen so häufig vorkamen.
Fußnoten
1 Etwa 24 Mark; ein Lohn, der zuweilen aber auch bis 80 Mark per Tag stieg.
Viertes Capitel.
Bedenklichkeiten.
Manoel liebte die Schwester seines Freundes Benito, und das junge Mädchen erwiderte seine Zuneigung. Beide hatten sich schätzen gelernt und waren in der That einander würdig.
Als er über Minhas Gefühle keine Zweifel mehr hegen konnte, hatte Manoel sich zuerst Benito offenbart.
»Liebster Manoel, so lautete darauf die Antwort des leichterregbaren jungen Mannes, das ist ja ein prächtiger Gedanke von Dir, meine Schwester heiraten zu wollen! Laß’ mich nur machen! Ich werde zunächst mit unserer Mutter sprechen und glaube Dir vorhersagen zu können, daß deren Zustimmung
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