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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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letzte peruanische Stadt am linken Stromufer, ehe man an die Grenze von Brasilien gelangt. Eigentlich besteht sie nur aus einem Dorfe mit gegen zwanzig Häusern auf hügeligem Lande, dessen Hervorragungen aus Ockererde und Thon gebildet sind.
    Die Mission daselbst wurde von jesuitischen Missionären im Jahre 1770 gegründet. Die Ticumas-Indianer, welche die Gebiete nördlich vom Strome bewohnen, haben röthliche Haut, dichtes Haar und sehen mit ihrem streifig bemalten Gesicht fast wie ein lackirter chinesischer Tisch aus; Männer und Frauen tragen als Kleidung weiter nichts als Baumwollenstücke, die sie um Brust und Lenden winden. Ihre Anzahl an den Ufern des Atacoari wird auf höchstens zweihundert geschätzt, der letzte Rest einer sonst mächtigen Nation, die von vielen Häuptlingen beherrscht wurde.
    In Loreto lebten auch einige peruanische Soldaten und zwei oder drei portugiesische Kaufleute, welche mit Baumwollenstoffen, gesalzenen Fischen und Sarsaparille Handel trieben.
    Benito ging an’s Land, um womöglich einige Ballen dieser, auf allen Märkten am Amazonenstrome sehr gesuchten Smilacee einzukaufen. Joam Garral unterbrach auch hier seine Arbeit nicht, welche überhaupt alle seine disponible Zeit in Anspruch nahm. Yaquita, ihre Tochter und Manoel blieben ebenfalls an Bord der Jangada. Die Muskitos von Loreto sind nämlich so berüchtigt, daß sie Jedermann, der nicht entschlossen ist, den entsetzlichen Dipteren etwas von seinem Blute zum Opfer zu bringen, von einem Besuche der Stadt abhalten.
    Manoel hatte darüber einige Worte geäußert, welche Niemand Lust machen konnten, sich den Stichen jener Insecten auszusetzen.
    »Man behauptet, fügte er hinzu, daß die neun Arten, welche an den Ufern des Amazonenstromes vorkommen, sich bei dem Dorfe Loreto ein Stelldichein zu geben pflegen. Ich will es glauben, ohne es übrigens beweisen zu können. Du wirst hier, liebe Minha, also die Auswahl haben zwischen den grauen, den behaarten, den weißfüßigen und den Zwergmuskitos, zwischen den Fanfarenbläsern, den kleinen Querpfeifern, den Urtuquis, Harlequins, den großen Negern und den Waldfüchsen, oder sie würden vielmehr über Dich ohne Auswahl herfallen, so daß Du gewiß ganz unkenntlich zurückkämst. Ich habe die Ueberzeugung, daß diese blutdürstigen Dipteren die brasilianische Grenze besser schützen als die elenden, mageren armen Teufel von Soldaten, die wir dort am Strande sehen!
    – Wenn aber Alles in der Natur einen Zweck hat, fragte das junge Mädchen, zu was in aller Welt sind die Muskitos da?
    – Wahrscheinlich nur zum Ergötzen der Entomologen, antwortete Manoel, ich wäre mindestens außer Stande, Dir eine bessere Aufklärung zu geben.«
     

    Auf der Jangada waren alle Leute auf dem Posten. (S. 106.)
     
    Was Manoel über die Muskitos von Loreto gesagt hatte, war nur allzurichtig. Zum Beweise dafür erschien auch Benito, als er nach Abschluß seiner Einkäufe wieder an Bord kam, im Gesicht und an den Händen von Tausenden rother Punkte tätowirt, ohne die Sandflöhe zu erwähnen, die sich trotz dichter Lederstiefeln unter seinen Zehen eingenistet hatten.
    »Fort, fort, so schnell als möglich! rief Benito. Die Legionen verwünschter Insecten könnten uns sonst überfallen und die Jangada wäre gar nicht mehr zu bewohnen.
     

    Wir werden gleich die brasilianische Grenze passiren. (S. 111.)
     
    – Und dazu importirten wir jene auch noch nach Para, setzte Manoel hinzu das für den eigenen Bedarf schon mehr als genug besitzt!«
    Um die Nacht nicht an diesem gefährlichen Strande zu verbringen, wurde die Jangada losgemacht und nach der Strömung geschoben.
    Von Loreto aus wendete sich der Amazonenstrom zwischen den Inseln Arava, Cuyari und Urucutea etwas nach Südosten. Die Jangada glitt jetzt auf den schwarzen Wellen des Cajaru hin, die sich nach und nach mit dem helleren Wasser des Amazonenstromes vermischen. Nachdem man am Abend des 23. Juni diesen Zufluß des linken Ufers hinter sich gelassen, fuhr dieselbe längs der großen Insel Jahuma friedlich weiter.
    Der Sonnenuntergang am reinen Horizont versprach eine jener herrlichen tropischen Nächte, welche man in den gemäßigten Zonen fast gar nicht kennt. Ein leichter Wind kühlte die Luft. Bald stieg der Mond am sternenbeglänzten Himmel empor und ersetzte während einiger Stunden die in jenen niedrigen Breiten fehlende Dämmerung. Dabei leuchteten aber die Sterne in unvergleichlicher Reinheit. Die ungeheuere Fläche des Wasserbeckens

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