Die Jangada
wohl, eine Mae d’Agua giebt es wahrhaftig, rief die naive Lina. Man erzählt, daß sie zuweilen am Ufer selbst wandelt, aber wie eine Nixe verschwindet, wenn sich ihr Jemand nähert.
– Nun, Lina, begann Benito, Du wirst es mir sagen, wenn Du sie einmal wiedersiehst.
– Wohl damit die Nixe Sie wegfängt und nach dem Grunde des Stromes hinabzieht? Nein, Herr Benito, nimmermehr!
– Sie glaubt wahrlich steif und fest daran, kicherte Minha.
– O, es giebt sehr viele Leute, welche an den Baumstamm von Manao glauben! ließ sich Fragoso vernehmen, der keine Gelegenheit vorübergehen ließ, zu Gunsten Linas zu interveniren.
– An den Baumstamm von Manao? wiederholte Manoel. Welche Bewandtniß hat es mit dem Stamme?
– Herr Manoel, antwortete Fragoso, es scheint als ob es einen »Turumastamm« gäbe oder doch gegeben habe, der Jahr für Jahr zu derselben Zeit den Rio Negro herabkam, einige Tage bei Manao liegen blieb und dann bis Para hinabschwamm, wobei er an jedem Flußhafen kurze Zeit Halt machte und von den Indianern mit kleinen Fähnchen geschmückt wurde. In Belem angelangt, wendete er um, trieb den Amazonenstrom wieder hinauf und kehrte durch den Rio Negro nach dem Walde zurück, aus dem er geheimnißvoll gekommen war. Einmal hat man wohl versucht, ihn an’s Land zu ziehen, da soll der Fluß aufgeschäumt und getobt haben, daß man davon abstehen mußte, ihn zu erlangen. Später soll ein Schiffskapitän ihn harpunirt haben, um ihn wegzuschleppen… auch da habe der Strom die Taue zerrissen und der Stamm soll wie ein Wunder verschwunden sein!
– Und was ist zuletzt aus ihm geworden? fragte die junge Mulattin.
– Er scheint sich bei seiner letzten Fahrt verirrt zu haben, und ist wohl statt den Rio Negro, den Amazonenstrom weiter hinauf geschwommen, seitdem aber nicht wieder gesehen worden.
– O, wenn wir den unterwegs fänden! rief Lina.
– Wenn wir ihn finden, da setzen wir Dich darauf, Lina; er trüge Dich dann in seinen geheimnißvollen Wald und Du würdest selbst dabei zur märchenhaften Najade!
– Das wäre herrlich! jubelte das lustige junge Mädchen.
– Das sind ja Sagen in Hülle und Fülle, begann darauf Manoel, und ich gebe zu, daß der Strom ihrer werth ist. Doch es knüpfen sich auch wahre Geschichten an denselben. Ich kenne eine solche, und wenn ich nicht fürchtete, Euch traurig zu stimmen – denn sie ist sehr tragischer Natur – so würde ich sie zum Besten geben.
– Ach bitte, erzählen Sie, Herr Manoel, bat Lina, ich höre Erzählungen, die Einem Thränen auspressen, gar zu gern.
– Was, Du und weinen, Lina? spöttelte Benito.
– Gewiß, Herr Benito, aber ich weine gern lachend.
– Nun wohl, Manoel, so erzähle nur.
– Es handelt sich um das Schicksal einer Französin, welche im achtzehnten Jahrhundert an diesen Ufern das Unglück fürchterlich verfolgte.
– Wir hören gern zu, sagte Minha dazwischen.
– Ich beginne also. Im Jahre 1741, gesellte man zu Bouguer und La Condamine, den zwei französischen Gelehrten, welche ausgesandt waren, um einen Erdengrad unter dem Aequator zu messen, auch einen verdienstvollen Astronomen zu, Namens Godin des Odonais.
»Godin des Odonais reiste also ab, aber er begab sich nicht allein nach der Neuen Welt, sondern er nahm sein junges Weib, seine Kinder, den Schwiegervater und einen Schwager mit.
Alle kamen gesund und munter in Quito an. Hier begann für Madame des Odonais aber schon das Unglück, denn sie verlor binnen wenigen Monaten mehrere Kinder.
Nach Vollendung seiner Aufgabe gegen 1759, mußte Godin des Odonais Quito verlassen und begab sich nach Cayenne. In dieser Stadt angelangt, wollte er seine Familie nachkommen lassen; inzwischen war jedoch Krieg ausgebrochen und er mußte von der portugiesischen Regierung erst einen Erlaubnißschein auswirken, um seine Gattin und die Uebrigen unbehelligt ziehen zu lassen.
Wer hielte es für möglich, daß nun mehrere Monate verstrichen, bevor diese Erlaubniß ertheilt wurde?
Verzweifelt über diese Verzögerung, entschloß sich Godin des Odonais im Jahre 1765 selbst den Amazonenstrom hinaufzureisen, um seine Frau in Quito abzuholen; gerade als er aufbrechen wollte, überfiel ihn plötzlich eine Krankheit, so daß er sein Vorhaben unmöglich ausführen konnte. Endlich hatten seine früheren Schritte doch Erfolg, und Frau des Odonais erhielt die Nachricht, daß der König von Portugal ihr die erforderliche Erlaubniß ertheilt und auch Befehl gegeben habe, ein Fahrzeug in Stand zu
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