Die Judas-Papiere
zu erfahren, in dem ich demnächst für eine längere Zeit leben und...nun ja, auch tätig sein möchte. Deshalb hoffe ich sehr, dass ich das Vergnügen habe, nicht nur Mister Golding, sondern auch Sie für einige Zeit bei mir zu Gast zu haben. Und jetzt erlauben Sie mir, dass ich Ihnen Ihre Zimmer zeige.«
Byron und die anderen murmelten vage Worte des Dankes für seine Gastfreundschaft und nahmen den Rest des leichten Gepäcks an sich, das Bogan sich nicht mehr unter die Arme zu klemmen vermochte.
Schweigend folgten sie Graf Dracula, der vorausging und ihnen in den finsteren Gängen und Treppenaufgängen den Weg in einen der großen Wohntürme leuchtete. Auf ihrem Weg zu den Zimmern pas sierten sie mehrere schwere Türen, die mit Riegel und Vorlegebal ken verschlossen werden konnten.
Den Treppen nach, die sie hinaufsteigen mussten, lagen ihre Zim mer in einem der obersten Geschosse von einem der kantigen Wohntürme an der Schluchtseite. Schließlich kamen sie in einen lan gen Gang, der auf der Hälfte einen rechtwinkligen Knick machte. By ron zählte insgesamt acht Türen, die rechts und links vom Korridor abgingen.
Dem Anwalt wies Graf Dracula seine Unterkunft kurz vor dem Knick zu. Dabei gab er der Hoffnung Ausdruck, dass der Herr Anwalt dort ausreichend Platz habe, um sich mit seinen mitgebrachten Pa pieren ungehindert ausbreiten zu können. Für seine anderen vier Gäste hatte Bogan Zimmer hergerichtet, die hinter dem rechten Winkel des Korridors lagen.
Zu ihrer aller Überraschung erwiesen sich diese Zimmer als überaus geräumig und recht wohnlich eingerichtet. In jedem gab es einen kleinen Kamin, in dem schon ein Feuer brannte, ein schweres, breites Bett mit vier gedrechselten Pfosten, die einen mit grauer Sei de bespannten Baldachin trugen, sowie bequeme Sessel und einen Schrank, eine Truhe und eine Kommode, auf der neben einem einfachen Kerzenleuchter und einem Windlicht auch noch eine Waschschüssel und ein großer Krug mit Wasser für sie bereitstanden.
Graf Dracula wies sie vorsorglich noch darauf hin, an welchem En de des Korridors es zum Erker mit dem stillen Gemach ging, falls sie es vorzögen, gewisse menschliche Bedürfnisse nicht in den Nacht topf unter ihrem Bett zu verrichten. Und dann verabschiedete er sich mit den Worten: »Also schlafen Sie wohl und träumen Sie gut! Wir se hen uns dann morgen Abend wieder!«
Byron wartete und horchte bei offener Tür auf die Schritte des Gra fen und seines Hausdieners, wie sie sich auf dem langen Gang ent fernten und schließlich irgendwo am Ende einer Treppe verklangen.
Harriet, Alistair und Horatio hatten ähnlich angespannt darauf ge wartet, dass die beiden außer Hörweite waren. Denn sie traten alle vier fast gleichzeitig aus ihren Zimmern. Nur der Anwalt ließ sich nicht blicken.
Byron winkte seine Gefährten stumm zu sich ins Zimmer und schloss schnell hinter ihnen die Tür.
»Kann mir einer verraten, wohin wir hier geraten sind?«, stieß Har riet leise hervor. »Dieser Graf Dracula gefällt mir nicht!«
»Na, der ist doch gegen diesen schaurigen Hausdiener die Schön heit in Person!«, sagte Alistair und versuchte ein unbekümmertes Grinsen. Doch der Versuch misslang kläglich.
»Aber er ist so bleich, und dazu diese vorstehenden Eckzähne und spitzen Ohren«, raunte Horatio. »Und was ist mit diesem Kutscher, der die Wölfe in die Flucht geschlagen hat, als hätte er Gewalt über diese Raubtiere? Hat dieser Dracula vorhin nicht gesagt, er hätte sei ne ganze Dienerschaft mit Ausnahme des Buckligen entlassen? Bis zwei zählen wird er doch wohl noch können! «
Byron nickte. »Das ist alles schon mehr als nur merkwürdig«, pflich tete er ihm bei.
»Ja, und zwar geradezu schaurig, wenn ihr mich fragt«, sagte Har riet und fuhr sich über die Arme, als fröstelte sie trotz der Wärme, die das Kaminfeuer abgab. »Also, ich bin dafür, dass wir so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden!«
»So sehe ich es auch!«, sagte Horatio.
»Sicher, wir bleiben hier keine Stunde länger als unbedingt nötig. Aber erst mal müssen wir diesen toten Templer finden, sonst endet unsere Suche nach dem Judas-Evangelium schon hier in den Karpa ten«, entgegnete Alistair mit finsterer Miene. »Und 4 000 Pfund in den Wind zu schreiben, weil es uns vor einem Buckligen gruselt, das erscheint mir doch etwas übertrieben.«
Byron dachte daran, dass er Arthur Pembroke sein Ehrenwort ge geben hatte, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um das
Weitere Kostenlose Bücher