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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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räumte van Helsing ein und sagte noch einmal eindring lich: »Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir nichts tun oder sa gen, was seinen Verdacht wecken könnte. Morgen sollten wir dann damit beginnen, heimlich Vorräte an Essen und Wasser oben in un seren Zimmern zu horten! Aber jetzt gilt es, freundlich zu sein und uns ahnungslos zu geben, wie schwer es uns auch fallen mag!«
    Sie nahmen sich die beschwörenden Worte des Arztes zu Herzen, als sie sich zum üblichen Nachtessen hinunter in den Rittersaal begaben, wo Dracula sie schon mit sichtlicher Ungeduld erwartete. Nur Alistair hielt sich nicht an ihre Vereinbarung, wie sich bald zeigen sollte.
    Zunächst nahm das Essen, an dem sich der Graf wie in den Nächten zuvor unter einem Vorwand nicht beteiligte, seinen gewohnten Gang. Dracula zeigte sich bestens aufgelegt, äußerte sein Bedauern, dass sie auch in den Grüften keinen Hinweis auf einen toten Templer gefunden hatten, verneinte glattzüngig ihre Frage nach einer mögli chen weiteren Gruft auf der Burg und plauderte unbeschwert über dieses und jenes.
    »Lassen Sie mich noch ein paar Scheite mehr auf das Feuer legen«, sagte Alistair plötzlich und erhob sich schnell, um Dracula am Kamin zuvorzukommen. »Nach den Stunden in der eiskalten Gruft kann ich jetzt etwas Wärme gut vertragen.«
    »Ihnen ist kalt? Also ich für meinen Teil liebe diese erfrischende Kälte. Aber nur zu, junger Freund«, sagte Dracula und ließ ihn ge währen.
    Byron befiel eine Ahnung, dass Alistair etwas ganz anderes im Sinn hatte, als nur einige weitere Scheite aufzulegen. Deshalb ließ er ihn nicht aus den Augen. Sein Verdacht wurde auch sogleich bestätigt, als er sah, wie Alistair im Rücken Draculas seinen Rasierspiegel aus der Innentasche seiner Jacke zog und ihn so hielt, dass sich im Spie gel das Abbild des Grafen zeigen musste, sofern er womöglich doch kein Un-Toter, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut war.
    Oh, ungläubiger Thomas!, fuhr es Byron erschrocken durch den Kopf. Und das plötzlich kalkweiße Gesicht seines Gefährten, der die Finger offensichtlich von keinem noch so riskanten Spiel lassen konnte, sagte ihm, dass der Rasierspiegel tatsächlich kein Abbild des Grafen zeigte.
    Schnell wollte Alistair den Spiegel wieder unter seiner Jacke ver schwinden lassen. Doch unter dem Eindruck der schrecklichen Beob achtung, die er eben gemacht hatte, verfehlte er die Öffnung der In nentasche. Der Spiegel rutschte am Futter entlang und zerschellte unter hellem Klirren auf dem Steinboden.
    Sofort fuhr Dracula herum, sah die Scherben des Spiegels zu Alis tairs Füßen und lachte höhnisch auf. »Sieh an, ein Spiegel! Sie schei nen also mehr zu wissen, als ich angenommen hatte. Und falls Sie Ih rer Sache nicht ganz sicher gewesen sind, junger Mann, so haben Sie ja jetzt Gewissheit. Und was tun Sie nun mit Ihrer Gewissheit?«
    »Dieser verdammte Idiot!«, zischte Horatio und sprang wie alle an deren entsetzt vom Tisch auf.
    »Das verdirbt mir nun einen Teil meines Vergnügens an Ihrer Ge sellschaft, denn unsere nächtlichen Plauderstunden waren mir durchaus ein besonderer Genuss. Sie steigerten meine Vorfreude nämlich beträchtlich«, fuhr Dracula fort. »Wirklich bedauerlich, dass ich schon so früh darauf verzichten muss.« Und damit trat er auf Alis tair zu.
    Im Gesicht blass wie der Tod, wich dieser vor ihm zurück, zerrte hastig das Kreuz unter seinem Hemd hervor und hielt es ihm so weit entgegen, wie die Lederschnur es zuließ. »Du wirst es nicht wagen, mir zu nahe zu kommen, du Teufel!«, stieß er mit schriller Stimme hervor.
    Jäh blieb Dracula stehen. »Du Tölpel! Das verfluchte Kreuz mag dir helfen, solange du es in der Hand hältst, weil es mich dann anwidert, dich zu berühren! Aber was ist, wenn du es mir nicht mehr entgegenstrecken kannst?«, fragte er, war mit einem Satz an der Wand, wo ein Teil der Waffensammlung hing, und riss einen Degen mit langer, blitzender Klinge aus seinen Halterungen. Und schon im nächsten Moment fuhr er mit der Waffe in der Hand wieder zu Alistair herum. »Al so dann, lass uns herausfinden, wie lange du dich noch an dein Kreuz zu klammern vermagst!« Spielerisch stieß er mit der Klingenspitze gegen das Kreuz.
    Gleich darauf vollführte er eine blitzschnelle Bewegung, und bevor Alistair wusste, wie ihm geschah, hatte Draculas Klinge die Leder schnur durchtrennt und ihm einen oberflächlichen Schnitt auf dem rechten Handrücken zugefügt. Er schrie auf, öffnete reflexartig

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