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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Technik zu bringen.«
    »Das ist wirklich eine Überraschung«, sagte Byron höflich.
    »Ja, wir hatten vorhin noch von Ihnen gesprochen«, warf Alistair ein.
    »Ich hoffe doch, es war nur Gutes, Mister McLean!«, sagte Basil Sahar mit einem fröhlichen Blitzen der Augen, während der Leibwäch ter stumm hinter ihm stand und wachsam im Auge behielt, was sich in der Hotelhalle tat.
    »Sie können beruhigt sein«, erwiderte Horatio trocken. »Es ist kein einziges Wort gefallen, das Ihnen nicht gerecht geworden wäre.«
    Basil Sahar lachte vergnügt auf. »Das nenne ich vortrefflich gespro chen, vieldeutig wie ein Diplomat, der seine Missbilligung als Kompli ment auszudrücken weiß!« Dann erkundigte er sich nach ihren Plänen und bot sich an, ihnen die Stadt zu zeigen. »Ich habe nämlich die Ab sicht, mir nach all den langwierigen Sitzungen der letzten Tage mit Ibrahim Hakki, meinem zweiten Schatten, ein wenig Bewegung zu verschaffen. Natürlich nur, wenn Sie nichts anderes vorhaben.«
    Byron tauschte mit seinen Freunden einen kurzen fragenden Blick, ob sie das Angebot annehmen sollten. Sie bedeuteten ihm ihr Ein verständnis. Zwar war die Gesellschaft eines Waffenhändlers nicht gerade das, was sie bevorzugten. Aber ihnen allen ging derselbe Ge danke durch den Kopf. Nämlich dass Basil Sahar ihnen womöglich mit seiner exzellenten Kenntnis der Stadt und ihrer Bewohner bei der Suche nach der »Stimme des Propheten« eine große Hilfe sein könnte. Und wie Alistair später zutreffend sagen sollte: »In der Not frisst der Teufel auch Fliegen!«
    »Uns Ihrer ortskundigen Führung anzuvertrauen, ist ein Angebot, das wir dankend annehmen, Mister Sahar«, sagte Byron deshalb.
    »Das Vergnügen ist ganz meinerseits!«, versicherte Basil Sahar er freut. »Dann warte ich drüben in der Bar auf Sie. Lassen Sie sich nur Zeit und machen Sie sich in Ihren Zimmern in aller Ruhe frisch, wenn Ihnen danach ist. Mir pressiert es nicht!«
    Nach einer Reise im Orient-Express gab es keine Veranlassung, sich frisch zu machen oder gar die Kleidung zu wechseln. Und so zogen sie schon bald mit dem Waffenhändler und seinem bedrohlich wir kenden Leibwächter Ibrahim Hakki los.
    Basil Sahar genoss es sichtlich, ihnen Konstantinopel zu zeigen, seine Heimatstadt, in der er aus bitterer Armut zu einem der erfolg reichsten Waffenhändler der Welt aufgestiegen war. Und während sie durch Pera und Galata schlenderten, sparte er bei seinen Bemer kungen zu Sitten und Gebräuchen nicht an Sarkasmus. Man merkte ihm an, dass er die Stadt einerseits liebte, andererseits sich in diese Liebe auch eine gehörige Portion Verachtung mischte.
    »Dieses Land versucht, alles genau entgegengesetzt zu machen, wie es bei Ihnen und in anderen westlichen Nationen üblich ist«, spottete er, als sie am kleinen Holztisch eines Schreibers vorbeika men, der an der Hauswand auf einem Schemel saß und für seine schreibunkundige Kundschaft Briefe und andere Schriftstücke ver fasste. »Sie schreiben von links nach rechts, wir von rechts nach links. Bei uns gilt es als respektvolle Geste, das Haupt bedeckt zu las sen und die Schuhe auszuziehen, bei Ihnen zieht man den Hut und behält die Schuhe an. Im Orient ist das untere Geschoss der Diener schaft vorbehalten und das obere der Herrschaft, bei Ihnen wohnt unten die Herrschaft und oben das Personal. Bei uns gilt es als gute Erziehung, bei Tisch schnell zu essen und wenig zu sprechen, bei Ih nen verhält es sich genau umgekehrt. Bei Ihnen muss man ein Lied unbedingt im Stehen vortragen, bei uns muss man dabei in jedem Fall sitzen bleiben. Bei uns gelten blaue Augen als Anzeichen von Zwietracht und Unglück, bei Ihnen werden sie bewundert, weil Sie glauben, Engel hätten blaue Augen. In den westlichen Sprachen wer den viele Buchstaben geschrieben, die man nicht liest, bei uns wer den sie nicht geschrieben, aber gelesen. Und so weiter und so wei ter!«
    Er gab eine Anekdote nach der anderen zum Besten, während sie durch die belebten Straßen dem Fuß des Galatahügels entgegenstrebten. Sich an diesem Tag ein zweites Mal über die Brücke hi nüber nach Stambul zu quälen, wusste er ihnen zu ersparen. Er führte sie hinunter zu einer der Anlegestellen, wo Dutzende der messerscharf auslaufenden Kaiks darauf warteten, Kunden auf die andere Seite oder hinüber nach Skutari zu bringen, das auf der asiatischen Seite des Marmarameers lag. Und pfeilschnell brachte sie der Ruderer ans andere Bosporusufer, wo er sie vor dem Besuch der

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