Die Judas-Papiere
Basare zuerst zur berühmten Hagia Sophia und zur Blauen Moschee führte, die jeder erstmalige Besucher der Stadt unbedingt gesehen haben musste.
Als sie nahe der Blauen Moschee einer Gruppe von Imamen, musli mischen Vorbetern, begegneten, spuckte Basil Sahar hinter ihnen in den Dreck der Straße, wenn auch mit einigem Abstand, sodass nicht offensichtlich wurde, dass sein Ausspucken ihnen galt.
»Ich achte jede Religion, die den Menschen zum Besseren zu füh ren versucht«, sagte er grimmig im Weitergehen. »Aber was ist aus dem Islam geworden! Zur Zeit Mohammeds hatten die Araber zahl reiche berühmte Gelehrte auf dem Gebiet der Geometrie, Algebra, Astronomie, Geografie und Medizin. Und wie sieht es damit heute aus? Zwölfhundert Jahre nach Mohammed ist der Stand arabischer Gelehrsamkeit so tief gefallen, dass es einen erschrecken muss! Und Schuld daran haben unsere unwissenden Vorbeter und Theologen, die das Wort Gottes verdreht haben und in dummdreister Ignoranz behaupten, mit dem Wort ›Wissenschaft‹ sei allein die Lektüre des Koran gemeint. Deshalb liest keiner von ihnen die Werke westlicher Wissenschaftler, weil diese ja ›christliche Hunde‹ sind.«
»Das ist starker Tobak!«, meinte Horatio überrascht.
»Aber die traurige Wahrheit«, fuhr Basil Sahar fort. »Heute haben die Muslime das Niveau von mittelalterlichen Mönchen erreicht, die weder schreiben noch lesen konnten und sich nur auf das auswendige Rezitieren von Psalmen und einigen Bibelstellen verstanden! Und sie weigern sich beharrlich, endlich aus ihrer blinden Wortgläubigkeit zu erwachen und sich den geistigen wie sozialen Herausforderungen der neuen Zeit zu stellen. Da halte ich es lieber mit Ahmet Riza, der als ›Vater der Freiheit‹ nach der Revolution der Jungtürken kurze Zeit unser Parlamentspräsident gewesen ist und folgende bit tere Wahrheit formuliert hat: Wäre ich eine Frau, würde ich mich dem Atheismus zuwenden und niemals Muslim sein! «
Alistair grinste Byron vielsagend an, während Harriet sofort wissen wollte, was den türkischen Parlamentspräsidenten zu dieser radika len Äußerung bewogen hatte.
»Das ist leicht zu erklären«, antwortete der Waffenhändler. »Ich brauche dazu nur Ahmet Riza weiterzuzitieren: Man stelle sich eine Re ligion vor, die allein den Männern Vorteile bringt, aber nachteilig für Frau en ist, die es dem Gatten erlaubt, drei weitere Frauen und eine unbeschränk te Zahl von Konkubinen zu nehmen, den im Himmel Jungfrauen erwarten, während die Frau Haupt und Gesicht verdecken muss wie der Gaul des Mül lers! Damit hat der Mann es bestens gesagt. Was soll das für ein Got tesglauben sein, der an der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert solch mittelalterliches Gedankengut predigt und für die selig ma chende Wahrheit hält! Von anderen Dingen will ich erst gar nicht re den, um Sie nicht noch mehr zu langweilen.«
»Wenn Sie eines mit Sicherheit nicht sind, dann ein Langweiler, Mister Sahar. Und was den Islam betrifft, so fehlt diesem vermutlich das Säurebad der Aufklärung, wie Byron es mal genannt hat«, be merkte Alistair.
»In der Tat!«, pflichtete Basil Sahar ihm bei. »Aber dazu müsste man vorher die Imame und Mullahs wegen der Rückständigkeit und dem Unglück, die sie über das Volk gebracht haben, zum Teufel jagen und an ihrer Stelle Fähigere einsetzen!«
Byron stimmte im Stillen vielem zu, was der Waffenhändler über die derzeitige Ausprägung des Islam gesagt hatte, wollte dieses Thema jedoch nicht weiterführen. Denn die Gelegenheit schien ihm günstig zu sein, nun auf ihr Anliegen zu sprechen zu kommen, das sie nach Konstantinopel geführt hatte.
»Da Sie gerade vom Propheten Mohammed gesprochen haben, drängt sich mir unwillkürlich eine Frage auf, deren Antwort Sie als Ortskundiger womöglich kennen.«
»Ich werde mir Mühe geben, Sie nicht zu enttäuschen«, erwiderte Basil Sahar. »Worum geht es denn?«
»Die Frage wird Ihnen vermutlich etwas seltsam vorkommen, denn es verhält sich damit wie folgt: Ein Freund von uns hat uns in einem Brief geraten, bei unserem Besuch in Konstantinopel auch unbedingt einen Blick auf die ›Stimme des Propheten‹ zu werfen«, teilte Byron ihm mit. »Leider hat er es in seinem Schreiben bei dieser sehr krypti schen Bemerkung belassen.«
»Und wir rätseln deshalb schon seit Längerem, was er wohl damit gemeint haben könnte«, bemerkte Harriet noch. »Wissen Sie das Rät sel zu lösen?«
Basil Sahar zog die Stirn kraus. »Stimme
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