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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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zur besseren Gesellschaft wie du. Ich bin eine einfache Schaustellerin, die sich ihren kargen Lebensun terhalt verdient, indem sie auf dem Seil herumturnt und mit Messern auf Leute zielt«, antwortete sie und versuchte, ihre artistische Kunst ins Lächerliche zu ziehen.
    »Was für ein Unsinn!«, widersprach er sofort. »Ich bin sicher, dass eine Frau aus der besseren Gesellschaft, wie du das nennst, mich nie und nimmer so hätte entflammen können wie du! Du bist der wun derbarste Mensch, der mir je begegnet ist!«
    Harriet sah ihn aufmerksam an und fragte nach kurzem Zögern: »Wunderbarer auch als jene geheimnisvolle Constance, die Arthur Pembroke erwähnt hatte, als es um dein Ehrenwort als Gentleman ging?«
    Byron stutzte einen Moment. »Ja, auch wunderbarer als Constance«, sagte er dann. »Zudem war ich damals noch recht jung und was ver stand ich schon von Liebe?«
    »Erzählst du mir, was es mit dieser Frau auf sich hat?«, fragte sie. »Oder möchtest du lieber nicht darüber reden?«
    Er lächelte. »Kommt ganz darauf an, was du mir als Gegenleistung für meine Geschichte zu bieten hast?«
    »Lass mich mal kurz überlegen!« Sie zog die Stirn kraus und gab sich den Anschein, angestrengt nachzudenken. Dann fragte sie, wäh rend sie ihn schon zu sich zog: »Wie wäre es damit?«
    Wieder versanken sie in einen langen innigen Kuss.
    Hinterher lachte er leise auf und fuhr mit dem Finger zärtlich über ihre noch feuchten Lippen. »Ja, das ist recht annehmbar. Wenn es für jeden Teil der Geschichte so einen Kuss gibt, werde ich mich bemühen, dass sie nicht zu schnell zu Ende ist.«
    »Ich glaube, das lässt sich einrichten«, gab sie zurück. »Aber nun er zähl! Wer war diese Constance?«
    »Sie war die Verlobte eines Studienkollegen, mit dem ich in Oxford eng befreundet war. Es begann kurz nach unseren Abschlussprüfun gen. Damals war ich gerade zwanzig geworden, während George Ja mieson, so hieß mein Freund, schon fünf Jahre älter war.« Byron hielt kurz inne. Denn ganz so leicht, wie er sich den Anschein gab, fiel es ihm nicht, in jene Zeit zurückzukehren, als Constance sein Denken und Fühlen beherrscht hatte.
    Harriet legte ihre Hand auf die seine, sagte jedoch nichts, sondern wartete, dass er von sich aus weitererzählte.
    »Während Constance aus einer sogenannten guten Familie mit ei nem langen, ehrwürdigen Stammbaum, aber mit nur bescheidenem Vermögen stammte, kam George aus einem sehr reichen Elternhaus. Dagegen war mein Vater, obwohl er es zu einigem Wohlstand ge bracht hatte, ein armer Schlucker«, fuhr Byron fort. »Den Jamiesons gehörten eine Reederei, eine Werft und Beteiligungen an anderen luk rativen Unternehmen. Er war also eine ausgesprochen gute Partie.«
    »Die sich deine – bestimmt bildhübsche, aber auch berechnende – Constance geangelt hat.«
    Byron nickte. »Dann kam der Tag, an dem George mit einer Gruppe von Freunden zu einer mehrmonatigen Bildungsreise quer durch Eu ropa aufbrach. Diese Grand Tour gehört ja in den Oberschichten zum Abschluss einer standesgemäßen Ausbildung. Constance wäre gern mit ihm auf die Reise gegangen, aber der schlechte Gesundheitszu stand ihrer Eltern ließ das nicht zu. Tja, und da legte mir George vor seiner Abreise eindringlich ans Herz, mich während seiner Abwesen heit um Constance zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie in diesen Monaten nicht zu sehr allein war und ihr die Trennung nicht so lang wurde. Ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben, dass ich ihr Beschützer und brüderlicher Gesellschafter sein würde.«
    »Ich ahne es schon«, sagte Harriet. »Der brüderliche Gesellschafter wurde schnell zum Verliebten.«
    »So ist es«, bestätigte Byron. »Obwohl eher sie damit anfing, indem sie mit mir flirtete, sich beim Spazierengehen, wenn ich ihr den Arm bot, eng an mich schmiegte und mir durch kleine Berührungen zu verstehen gab, wie sehr sie meine Nähe suchte. Aber wer von uns beiden zuerst mit dem Feuer spielte, ist auch gar nicht von Bedeu tung. Jedenfalls führte das häufige Zusammensein dazu, dass wir uns ineinander verliebten. Ich zumindest glaubte das. Und ich brachte trotzdem die Willenskraft auf, es bei bloßen Liebesbeteuerungen zu belassen. Geküsst habe ich sie nur ein einziges Mal. Besser gesagt, Constance hat mich geküsst. Aber das war kein Kuss aus Liebe . . . Doch ich will nicht vorgreifen.«
    »Stimmt es, sie hat dich bei der Rückkehr ihres Verlobten verraten und so getan, als hättest du versucht, sie ihm

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