Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
wahnsinnigen Schmerzen, die seine Brust zerreißen wollten, und mit der Bewusstlosigkeit. Er wusste, dass er sterben würde. Doch wenn dem so war, wollte er zumindest auch seinen Mörder mit in den Tod nehmen.
    Mit letzter Willensanstrengung zog er den Revolver hervor, den er im Sturz unter sich begraben hatte, packte ihn mit beiden zitternden Händen und zielte auf die sich rasch entfernende Gestalt. Mit aller letzter Kraft zog er den Abzugshahn durch. Er sah noch, wie seine Kugel den Mann in den Rücken traf und ihn nach vorn schleuderte. Dann rutschte ihm der Revolver aus den Händen und sterbend fiel sein Kopf zurück in den Sand.
    Als Baynard von der Kugel getroffen wurde, war ihm, als hätte ihm jemand einen Keulenschlag in den Rücken versetzt. In seinem Schrei, der seinen Sturz begleitete, lag im ersten Moment kein Schmerz, sondern wilde Wut, dass er dem Lord nicht sicherheitshal ber noch eine Kugel in den Schädel gejagt hatte. Schwer schlug er zwischen kopfgroßen Felsbrocken auf. Die Holzschatulle prallte vor ihm auf einen Stein. Dabei sprang der Deckel auf und die Papyri weh ten heraus.
    Seine Hand streckte sich danach aus, während eine Woge flam menden Schmerzes durch seinen Körper schoss. Verzweifelt ver suchte er, die Papyri festzuhalten. Doch die Seiten zerbrachen unter seinen sich zusammenkrampfenden Fingern, lösten sich wie welke Laubblätter in Stücke auf und wurden vom Khamsin davongewirbelt.
    Verloren, alles verloren! So kurz vor dem Triumph!
    »Verflucht sollst du sein, Demiurg!«, schrie er mit verzweifeltem Aufbegehren in den Wind. Dann schoss ihm ein Schwall Blut in die Kehle und erstickte seinen Schrei. Ein letztes Röcheln und Zucken, dann war alles vorbei.

6
    J etzt sind Sie an der Reihe, uns Ihre Geschichte zu erzählen, Mister Seymour«, sagte Byron, obwohl es keinen von ihnen mehr sonderlich interessierte, was es mit der Bruderschaft der Wächter auf sich hatte. Denn was immer sie nun von ihm darüber erfahren mochten, sie würden es mit in den sicheren Tod nehmen.
    Wider besseres Wissen hatten sie in den vergangenen Minuten gemeinsam und mit aller Kraft versucht, die Tür aufzubekommen. Doch diese hatte sich, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, nicht bewegt. Auch ihr Versuch, einige der Scharnierschrauben mit Horatios Taschenmesser aus den schweren Eisenbeschlägen zu schrauben, hatte in einem kläglichen Misserfolg geendet. Die Klingen waren Stück für Stück abgebrochen, ohne dass sie auch nur eine Schraube hätten lockern können. Hätten sie den Sack mit ihrer Ausrüstung in die Gruft mitgenommen, hätten sie vielleicht mit dem Stemmeisen und der Spitzhacke die Tür aufbrechen können.
    Trevor Seymour hockte an der Wand, mit einem Ausdruck stoischer Gefasstheit auf dem Gesicht. »Es begann damals mit der unseligen Scheidung von König Heinrich VIII., die der Papst nicht akzeptieren wollte und die dazu führte, dass Heinrich sich von der römisch-katholischen Kirche lossagte und sich zum Oberhaupt der Kirche von England machte.«
    »Dann muss die Jahreszahl, die auf dem Schreiben in Wien stand, etwas mit der Hinrichtung von Thomas Morus zu tun haben«, folger te Byron.
    Der Butler nickte. »Morus war ein aufrichtiger Mann und Christ, der sich lieber dem Henker auslieferte, als den verlangten Treueid auf König Heinrich als Oberhaupt der Kirche abzulegen. Aber er war nicht der Einzige, der für seinen standhaften Glauben starb, nur gilt er mittlerweile als der Prominenteste.«
    Alistair gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich, doch er winkte mit einer kraftlosen Handbewegung ab, als er ihre besorgten Blicke auf sich gerichtet sah.
    »Geht schon«, murmelte er. »Lass ihn weiterreden . . . Das will ich auch noch mitbekommen . . .« Er mochte große Schmerzen haben, aber seinen Galgenhumor hatte er noch nicht verloren.
    »In jener Zeit trafen sich einige ehrenwerte Männer, die nicht im Licht der Öffentlichkeit standen, aber doch gewissen Einfluss und vor allem Geld besaßen«, fuhr Trevor Seymour fort. »Sie waren wirk liche Christen, denn sie vertraten die Überzeugung, dass sich wahrer Glaube an die Heilsbotschaft Jesu Christi nicht an der Konfession eines Mitmenschen ablesen lässt, sondern nur daran, wie er seinen Glauben lebt.«
    »Ein wahres Wort!«, sagte Harriet leise und wollte nach Byrons Hand tasten. Aus Angst, er würde sie zurückstoßen, wagte sie es aber nicht.
    »Diese Männer beschlossen damals, dem blutigen Irrsinn König Heinrichs nicht untätig

Weitere Kostenlose Bücher