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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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zuzusehen, sondern anderen Verfolgten zu helfen, soweit es in ihrer Macht stand«, berichtete Trevor Seymour. »Sie wollten damit ein Zeichen setzen und ganz im Geheimen darü ber wachen, dass aufrechte, friedliebende Christen ihren Glauben le ben konnten, egal welcher Richtung sie angehören.«
    »Darum also der Name Die Wächter«, sagte Horatio. »Jetzt wird eini ges klar, vor allem das, was in Wien geschehen ist.«
    Der Butler nickte. »Unsere Bruderschaft ist nie sehr groß gewesen und es gab zu allen Zeiten immer nur wenige, die über den Schatten ihrer eigenen Konfession zu springen und für die verfemten Christen einer anderen Glaubensrichtung Geld und Leben zu riskieren bereit waren. Viele, die unsere Bruderschaft im Laufe der Zeiten vorsichtig angesprochen hat, um sie für unsere Sache zu gewinnen, haben das Risiko gescheut, sich und ihre Familien in Gefahr zu bringen und selbst verfolgt zu werden. Aber dennoch hat die Bruderschaft in den Jahrhunderten ihrer Existenz vielen stille Hilfe gewähren können, mit Verstecken sowie mit Geld zur Auswanderung in ein Land, wo sie sicher waren. Unter diesen waren ebenso Calvinisten und romtreue Katholiken wie Quäker, Adventisten, Lutheraner, Hugenotten und immer auch Juden gewesen, unsere älteren Brüder und Schwestern im Glauben.«
    »Eine Bruderschaft, der anzugehören mir eine Ehre gewesen wäre, wenn das Schicksal es zugelassen hätte«, sagte Byron leise und fing Harriets verzweifelten Blick auf. Er sah in ihren Augen die Angst, dass sie seine Liebe verloren hatte und mit ihrer Schuld die letzten Stunden oder Tage ihres Lebens in dieser Gruft beschließen würde. Aber in Byron war längst kein Groll mehr auf sie. Horatio hatte recht gehabt: Jeder von ihnen war von Arthur Pembroke mit kaltem Kalkül und Heimtücke missbraucht und erpresst worden. Es gab nichts, was er ihr hätte vorwerfen und nicht verzeihen können. Deshalb nahm er nun wortlos ihre Hand, führte sie zu seinem Mund und küsste sie sanft. Und in diesem zärtlichen Kuss lag alles, was sie wissen musste, nämlich dass seine Liebe zu ihr noch immer so stark war wie noch vor wenigen Stunden, als sie geglaubt hatten, ihre abenteuerliche Suche nach den Papyri würde für sie alle ein strahlendes, glückliches Ende finden.
    Harriet schossen die Tränen in die Augen. Sie schämte sich ihrer nicht. Sie rutschte näher zu ihm heran, schmiegte sich an seine Schulter und ließ ihren Tränen freien Lauf, während er über ihr Haar strich und nun selbst mit den Tränen kämpfen musste. Und er fragte sich bedrückt, warum man sein Leben so oft mit Nichtigkeiten ver geudete und zu spät erkannte, wofür es sich zu kämpfen und sich verwundbar zu zeigen lohnte. Liebe war die einzige Macht der Welt, vor der man sich beugen durfte – und zwar mit Dankbarkeit für die ses größte aller irdischen Wunder.
    »Dann haben Sie also dafür gesorgt, dass uns Ihre Männer in Wien im Auge behielten?«, fragte Horatio.
    »Ja, das hatte ich mit Abbot, unserem gewählten Prinzipal, so besprochen«, antwortete Trevor Seymour. »Damals wusste ich zwar noch nicht, welch gemeinen Plan Arthur Pembroke ausgeheckt hatte, aber ich hatte doch schon eine Ahnung, dass bei ihm mit bösen Überraschungen zu rechnen sein würde. Auch hatte ich damals den hässlichen Streit zwischen Mortimer und jenem Londoner Kenner apokrypher Schriften mitbekommen. Unter anderem auch die Drohung jenes Mannes, er würde Mittel und Wege finden, um in den Besitz des Judas-Evangeliums zu gelangen.«
    »Sie wussten also von diesen Kainiten, die Markion von Sinope als einen Heiligen sowie Judas und Kain als Auserwählte betrachten?«, fragte Byron verblüfft.
    »Zu dem Zeitpunkt noch nicht«, sagte der Butler. »Aber mir war auf gefallen, dass dieser Mann mit einem merkwürdigen Anhänger spiel te, während er Mortimer zu umgarnen versuchte. Es war ein goldener Totenkopf, in der Stirn gespalten von einem Steinkeil. Ich habe Abbot, unserem Prinzipal, davon berichtet. Daraufhin hat er Erkundigungen eingezogen. Er hat Zugang zu vielen Informationsquellen, die einem gewöhnlichen Zeitgenossen verwehrt sind. Leider stieß er erst auf die Spur der Kainiten, als Sie sich schon auf der Fähre über den Kanal be fanden. Daraufhin beschlossen wir, unsere Vertrauensmänner in Wien sofort zu alarmieren und sie zu beauftragen, für Ihre Sicherheit zu sor gen. Bedauerlicherweise verfügt unsere Bruderschaft jedoch über kei ne Mitglieder in Konstantinopel und Ägypten. Da

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