Die Judas-Papiere
He xe zu tun?«
Byron setzte zu einer Erklärung an, hielt es jedoch für klüger, dies Arthur Pembroke zu überlassen, der auch sogleich antwortete: »Nein, mit Hexe hat ein Hexagon nichts zu tun. Das Wort kommt aus dem Griechischen. Hexa bedeutet ›sechs‹. Und ein Hexagon ist ein gleichseitiges Sechseck.«
»Aus dem man ein Hexa gramm machen kann, indem man die alter nierenden Eckpunkte des Hexagons miteinander verbindet«, ergänz te Byron. »Man nennt die daraus entstehende geometrische Figur auch den Davidstern. Der griechische Mathematiker Euklid hat rund vierhundert Jahre vor Christi Geburt in seinem 15. mathematischen Satz des 4. Buches Die Elemente die mathematischen Zusammenhän ge von Innenwinkeln, Radius des Innenkreises und so weiter be schrieben, das nur nebenbei angemerkt.«
Diesmal kam von Alistair McLean kein bissiger Kommentar. Er schwieg mit verdrossener Miene und nagte an seiner Unterlippe.
»Und was hat es mit diesem besonderen Hexagon auf sich?«, fragte Horatio Slade.
Lord Pembroke schüttelte den Kopf. »Ich weiß es selber nicht. Mortimer hat nur gesagt, dass man das Rätsel dieses Hexagons lösen muss, wenn man den Weg zum Versteck finden will. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass mein Bruder an verschiedenen Stationen seiner Reise jeweils einen bruchstückhaften Hinweis auf das Versteck hinterlassen hat, dass er jene Stationen allerdings in Form von Rätseln in diesem seinem Reisejournal hier versteckt hat.« Seine rechte Hand fuhr dabei in die Innentasche seines eleganten Hausmantels und kam mit einem kleinen, ledergebundenen Notizbuch im Kleinoktavformat wieder hervor. »In diesem Notizbuch befinden sich das Hexagon und jene verschlüsselten Hinweise, die Sie zu Mortimers Reisestationen und dann hoffentlich zum Versteck des Judas-Evangeliums führen werden!«
»Oh, das ist ja eines von diesen bestens verarbeiteten Notizbü chern, die es nur in der Papierhandlung von Parkins & Gotto in der Ox ford Street gibt!«, sagte Byron überrascht, als er das in feines moos grünes Leder gebundene Büchlein sah.
»Und? Lassen Sie uns da mal einen Blick reinwerfen?«, fragte Hora tio Slade gespannt.
»Nur zu!«, antwortete Arthur Pembroke bereitwillig und reichte es ihm über den Tisch hinweg. »Aber seien Sie gewarnt! Was Sie dort in dem Büchlein finden, ist keine geordnete Niederschrift von klar er sichtlichen Rätseln oder Codes. Es ist vielmehr das erschreckende Spiegelbild einer vom Wahnsinn zerstörten Seele!«
Horatio Slade nahm es entgegen, schlug es auf und machte ein ent geistertes Gesicht. »Allmächtiger!«, stieß er hervor, während er flüchtig darin blätterte. »Das...das ist ja...«Ihm fehlten die Worte für das, was er auf den Seiten des Notizbuches sah.
Alistair McLean, der sich neugierig zu ihm hinübergebeugt hatte, machte ein gleichfalls erschrockenes Gesicht. »Himmel, so etwas ha be ich ja noch nie gesehen! Ihr Bruder Mortimer muss wirklich ein Ir rer gewesen sein!«
Lord Pembroke erwiderte nichts darauf, sondern spießte mit sei ner Gabel ein blutiges Stück Fleisch auf und schob es sich in den Mund.
Byron konnte es nicht erwarten, ebenfalls einen Blick in das Journal zu werfen. Als Horatio Slade es schließlich an ihn weiterreichte und er es aufschlug, reagierte er erst mal nüchterner als die beiden Männer vor ihm.
Das Buch ähnelte mit all seinen wirren Bibelauszügen, völlig unsys tematischen Eintragungen, Zahlenkolonnen, Zeichnungen und Krit zeleien in vielem der wirren Sammlung des Westflügels. Mortimer hatte unterschiedliche Schreibutensilien benutzt. Manches war mit Bleistift notiert oder gezeichnet, anderes mit der schwarzen Tinte eines Füllfederhalters. Es fanden sich ebenso viele grobe Skizzen wie detailgenaue Zeichnungen, die von einem großen zeichneri schen Talent zeugten, sowie Textstellen in grüner und roter Tinte. Zudem hatte er Federn von extrem dünner bis extrem breiter Stärke benutzt. Und an vielen Stellen hatte er Landschaftsskizzen mit mys teriösen Zeichen übermalt oder aber den einen Text mit einem ande ren überschrieben. Dabei waren die Schreibfeder oder der Zeichen stift selten den vorgegebenen Linien der Zeilen gefolgt, sondern sie hatten völlig willkürlich kreuz und quer die Seiten bedeckt.
Ebenso wild wie das Durcheinander der verwendeten Zeichen- und Schreibmaterialen war auch der Wirrwar aus scheinbar sinnlosen Zahlen- und Buchstabenreihen, aus geometrischen Figuren sowie Zeichnungen von komplizierten Labyrinthen,
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