Die Judas-Papiere
diesbezüglich ausgiebig Gedanken ge macht und zu meiner Sicherheit gewisse Vorkehrungen getroffen habe, um von einem solchen Verrat umgehend zu erfahren. Und dann würden meine Maßnahmen weitere Eigenmächtigkeiten ver hindern, lange bevor einer von Ihnen die Papyri zum Kauf anbieten könnte! Versuchen Sie, mich zu hintergehen, und ich werde Sie ja gen wie einen räudigen Hund und zur Strecke bringen lassen! Und wie ein räudiger Hund werden Sie dann auch sterben, das verspre che ich Ihnen!«
»Na, das nenne ich ein klares Wort!«, sagte Alistair McLean schein bar unbekümmert, er konnte jedoch nicht verbergen, dass er unter der unmissverständlichen Todesandrohung blass im Gesicht gewor den war.
Lord Pembroke ließ einen langen Moment des Schweigens ver streichen, wohl damit sich jeder seine Worte zu Herzen nahm. Dann blieb sein Blick auf Byron liegen.
»Die anderen haben sich bereit erklärt, den Auftrag zu den genann ten Bedingungen zu übernehmen. Was ist mit Ihnen, Mister Bourke?«
»Sie haben mein Wort als Gentleman, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um das Versteck zu finden, solange Sie zu Ihrem Wort stehen und mir die Minenpapiere zum Ausgabewert abkaufen – und zwar vor unserem Aufbruch!«, verkündete er. »Ich muss sicher sein, dass für meine minderjährigen Schwestern gesorgt ist, bevor ich mich auf dieses Abenteuer einlasse!«
Lord Pembroke überlegte kurz und nickte. »Ihre Bedingung ist ver ständlich und akzeptiert! Sie werden die volle Summe vor Ihrem Rei seantritt erhalten. Denn ich weiß, dass ich mich auf Ihr Wort verlas sen kann.«
»So? Woher denn?«, fragte Alistair McLean unwirsch. »Ich jeden falls wüsste schon gern, warum Sie ausgerechnet ihm den ganzen Batzen zahlen, während wir erst mal nur 1 000 Pfund kriegen!«
»Weil Mister Bourke im Gegensatz zu Ihnen ein Ehrenmann ist, der ein einmal gegebenes Ehrenwort niemals brechen würde, egal wem er es gegeben hat«, antwortete Lord Pembroke barsch. Dann wandte er sich wieder Byron zu und erkundigte sich scheinbar völlig zusam menhangslos: »Sagen Sie, sind Sie ihr je wieder begegnet?«
»Begegnet? Wem?«, fragte Byron verwirrt.
»Na, Sie wissen schon, dieser Constance«, erklärte Lord Pembroke. »Der Liebe Ihres Lebens, die Sie damals wegen Ihres Ehrenwortes aufgegeben haben.«
Byron schoss das Blut ins Gesicht. Vor Verlegenheit brannten seine Wangen heiß wie Feuer und er konnte nicht glauben, dass Arthur Pembroke sogar dieses intime Detail seines Lebens in Erfahrung ge bracht hatte.
»Nein«, antwortete er knapp und spürte die Blicke der anderen auf sich, insbesondere die von Harriet Chamberlain.
»Gut, dann wäre damit ja alles geklärt!«, sagte Lord Pembroke, griff zu seinem Weinglas und lehnte sich im Rollstuhl zurück. »Dann steht Ihrem gemeinsamen Aufbruch am Montag ja nichts mehr im Wege. Also dann, lassen Sie uns auf ein schnelles und gutes Gelingen trin ken!«
Als Byron sein Glas hob, kämpften in ihm zwiespältige Gefühle mit einander. Er wusste nicht, ob er Arthur Pembroke verfluchen sollte oder ob er ihm eher zu Dank verpflichtet war. Was er jedoch wusste, war, dass er von Anfang an keine Wahl gehabt hatte. Wie verrückt die Sache mit der Schrift des Judas Iskariot auch klang, er musste sich darauf einlassen. Allein schon wegen seiner beiden minderjähri gen Schwestern, für die er die Verantwortung trug. Aber selbst wenn er von Arthur Pembroke nicht erpresst worden wäre, hätte er sich auf die Suche nach diesem unglaublichen Fund gemacht. Denn wenn es sich bei den von Mortimer Pembroke gefundenen Papyri wirklich nicht um jene altbekannte ketzerische Schrift handelte, die Irenäus verworfen hatte, dann war es sehr wohl möglich, dass sich die Papyri als ein Evangelium herausstellten, ja womöglich als das einzig wahre, neben dem die bisher bekannten Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes als völlig unbedeutend verblassen mussten!
Denn konnte es nicht auch sein, dass die Schrift eine ganz andere Wahrheit über Leben und Tod Jesu erzählte? Und zwar die Geschich te über einen radikalen Wanderprediger, der sich nicht als Gottes Sohn erwiesen hatte und nicht von den Toten auferstanden war?
Byron schauderte plötzlich, als er sich der ungeheuerlichen, welt erschütternden Tragweite bewusst wurde, die diese Papyri des Judas Iskariot haben konnten – für seinen Glauben und weltweit für die fast 2 000 Jahre alte Christenheit!
7
T iefe Nacht lag über Pembroke Manor, als
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