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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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eine präzise Angabe, mit der wir etwas anfangen können. Ich werde diese Information nachher in aller Frühe weiter geben.«
    »Wie sieht es dort mit unseren Leuten aus, Abbot?«
    »Ausgezeichnet. Wien müsste eigentlich ein Heimspiel sein. Gibt es sonst noch etwas Wichtiges?«
    »Nein, nicht dass ich wüsste.«
    »Gut, dann belassen wir es für heute dabei. Sehen Sie zu, dass Sie noch ein paar Stunden Schlaf bekommen.«
    »Wer kann schon an Schlaf denken, wenn es um so etwas Ungeheu res geht wie diese Papyri?«
    »Also dann, bis zum nächsten Kontakt.«
    Aus der Ohrmuschel drang ein metallisches Klicken, das der Ge stalt im Studierzimmer von Pembroke Manor sagte, dass der Mann in Kensington eingehängt hatte und die Verbindung unterbrochen war.
    Die Gestalt hängte die Ohrmuschel nun auch wieder in die Gabel ein, verharrte noch einen Moment am Schreibtisch, blickte durch das Fenster hinaus auf die nächtliche, schon fast winterlich erstarrte Landschaft und fragte sich, ob sie auch alles bedacht hatten – und ob Abbot es schaffen würde, die Fäden nicht aus der Hand zu verlieren.

Dritter Teil
    Die Ufer des Hades

1
    D ie steife Brise setzte den Wellen Schaumkronen auf und fegte den beständig fallenden Nieselregen über das Deck des betagten Rad dampfers, der sich schon seit Stunden durch die raue See des Ärmel kanals kämpfte. Die Küste des Kontinents konnte nicht mehr weit sein, höchstens noch eine gute Stunde entfernt. Aber bei dem trü ben Regenwetter war die Sicht so schlecht, dass die Küste und der Hafen von Ostende unter dem trüben, wolkenverhangenen Novem berhimmel wohl erst wenige Meilen vor Ende der Überfahrt zu sehen sein würden.
    Breitbeinig stand Byron an der Reling, den Kragen seines Mantels mit dem Schultercape hochgeschlagen und den Hut tief in die Stirn gezogen. Mit nur einer Hand, die fast ohne Druck auf der Reling lag, glich er die nicht übermäßig schwankenden und schlingernden Be wegungen des Decks unter seinen Füßen aus.
    Das Wetter mochte schlecht sein und nicht gerade zu einem Auf enthalt an Deck einladen. Aber es war doch noch lange keine stürmi sche See. Außerdem besaß Byron dank seiner regelmäßigen Fecht stunden, die er über all die Jahre konsequent beibehalten hatte, ein ausgezeichnetes Gefühl für Balance.
    Sein Blick ging hinaus in die kalte, regenverschleierte Weite der kabbeligen See. Doch er hielt nicht Ausschau nach der Küstenlinie im Osten und er nahm auch nicht den schnittigen Dreimaster wahr, das stolze Symbol einer untergehenden Epoche, der lautlos wie ein majestätischer Seevogel querab aus der Regenwand auftauchte und entgegengesetzten südwestlichen Kurs hielt, sodass er in einigen Minuten achtern durch die Heckseen des Fährschiffes schneiden würde. Zu tief war Byron in seine Gedanken versunken. Es war Horatio Slade, der wenig später zu ihm an die Reling trat und ihn aus seinem Sinnieren und Brüten holte.
    »Recht ungemütlich hier draußen. Keinen Hund würde man bei diesem Wetter aus dem Haus jagen. Geht Ihnen denn diese elend nasse Kälte nicht allmählich durch und durch, Mister Bourke?« Er schüttelte sich und zog den dicken Wollschall fester um seinen Hals, als spürte er die Kälte schon jetzt bis in die Knochen. »Sie stehen doch bestimmt schon eine gute halbe Stunde hier an Deck, ohne sich von der Stelle zu rühren!«
    »Ich brauchte einfach frische Luft und hoffte, hier im Freien einen klaren Kopf zu bekommen. Aber mit der Klarheit ist es leider nicht sehr weit her«, antwortete Byron.
    Horatio lachte kurz auf. »Wen wundert’s? Im Leben ist Klarheit Mangelware, wie ich aus Erfahrung weiß. Das Graue und Unbe stimmte beherrscht zumeist das Feld. Außerdem: Die Welt ist ver rückt, wenn Sie mich fragen.«
    Byron warf ihm einen stummen, fragenden Blick zu.
    »Also, wenn mir vor ein paar Tagen jemand gesagt hätte, dass ich am Montag nicht nur in Freiheit sein würde, sondern mich mit 1000 Pfund in der Tasche sowie in Begleitung von einem Privatgelehrten, einem Berufsspieler und einer bildhübschen Akrobatin als Reisender erster Klasse auf dem Weg nach Wien befinden und nach einem ge heimnisvollen Judas-Evangelium suchen würde, ich hätte ihn ausge lacht und wohl für geistesgestört gehalten!«
    Byron nickte. »Ja, eine absonderliche Konstellation, die auch ich nicht für möglich gehalten hätte.« Er konnte selbst kaum glauben, was er in den letzten Tagen erlebt hatte und wie sehr seitdem seine Welt aus der einst fest gefügten,

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