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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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grünlederne Büchlein gekritzelt hat?«
    »Mit dieser Möglichkeit müssen wir rechnen, Mister Slade«, räumte Byron ein. »Aber so wirr die Symbole, Zeichnungen und Kritzeleien auch aussehen, so glaube ich doch, festgestellt zu haben, dass alle Einträge einer klaren inneren Ordnung folgen.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir diese innere Ordnung drin nen im Warmen zu erklären?«, fragte Horatio, dem Regentropfen und Gischtspritzer über die Gläser seiner Brille rannen. »Und außer dem, Mister Bourke, werden die beiden anderen ebenfalls an dem interessiert sein, was Sie in den letzten Stunden in dem Notizbuch gefunden haben.«
    Byron hatte nichts dagegen einzuwenden, zumal er sich mittler weile lange genug dem nasskalten Wetter ausgesetzt hatte und es nun auch ihn wieder zurück in den Schutz und die Wärme eines Auf enthaltsraumes drängte.

2
    S ie fanden Harriet Chamberlain und Alistair McLean im Bar- und Rauchsalon der ersten Klasse, der mit seinen dicken Teppichen, den schweren Sesselgruppen, den dunklen, holzgetäfelten Wänden und den Messingleuchtern ebenso gut zu einem teuren Londoner Hotel hätte gehören können. Die Sessel und Sofaecken boten mindestens vierzig Passagieren Platz, ohne dass es beengt zugegangen wäre. Aber bis auf zwei ältere Ehepaare, die auf der anderen Bordseite in ein Bridgespiel vertieft waren, und einen schwergewichtigen, allein reisenden Mann mittleren Alters, der an der Theke der Bar saß und Patiencen legte, war der Salon gähnend leer – ganz im Gegensatz zu den Aufenthaltsräumen der zweiten und dritten Klasse.
    Ein aufmerksamer Steward eilte ihnen dienstbeflissen entgegen, kaum dass sie durch die Tür gekommen waren, um ihnen Mantelum hänge und Hüte, Handschuhe und Schal abzunehmen und sie nach ihren Wünschen zu fragen.
    »Bringen Sie mir einen Darjeeling«, sagte Byron. »Aber lassen Sie den Tee nicht länger als anderthalb Minuten ziehen.«
    »Für mich dasselbe«, sagte Horatio Slade und rieb sich die kalten Hände, um die Blutzirkulation anzuregen. »Und etwas Gebäck!«
    »Sehr wohl, Gentlemen«, antwortete der Steward mit einer routi nierten Verbeugung und eilte davon, um die Kleidung aufzuhängen und die Bestellung auszuführen.
    »Und? Haben Sie inzwischen herausgefunden, wo der Irre das ver dammte Hexagon in seinem Buch versteckt hat?«, wollte Alistair wis sen und gähnte herzhaft, als Byron und Horatio auf die Sitzgruppe zusteuerten, die von den wenigen anderen Mitreisenden am weites ten entfernt stand.
    Alistair hatte zu Beginn der Überfahrt versucht, die beiden älteren Gentlemen und den Dicken zu einem »kleinen Spiel« um Geld zu überreden. Aber man hatte ihn höflich abblitzen lassen, worauf Alistair es sich nach zwei kräftigen Drinks in einem der schweren Polstersessel bequem gemacht und den größten Teil der Überfahrt verschlafen hatte. Das Auf und Ab des Dampfers hatte ihn nicht in seinem Schlaf gestört und machte ihm auch jetzt nicht zu schaffen, was ebenso für Byron und Horatio galt. Dagegen hatte Harriet ein etwas blasses Gesicht und schien mit einem Anflug von Übelkeit zu kämpfen.
    »Herrgott, geht es nicht noch lauter?«, zischte Horatio. Er ärgerte sich über die Lautstärke, in der sich Alistair nach dem Hexagon er kundigt hatte. »Warum leihen Sie sich vom Kapitän nicht seinen Sprechtrichter aus und posaunen gleich überall auf dem Dampfer he raus, dass wir auf der Suche nach dem verschollenen Judas-Evangeli um sind?«
    Alistair sah sich um, ob einer von den anderen Passagieren auf sie aufmerksam geworden war und zu ihnen herüberblickte. Aber dem war nicht so. Die beiden Ehepaare beredeten ein gerade beendetes Bridgespiel und der Dicke hinten in der Ecke stopfte weiterhin voller Genuss kleine Gurkensandwiches in sich hinein, während er seine Patiencekarten auslegte.
    »Na, von denen scheint keiner zu den mysteriösen Geheimbünden der Illuminaten oder der Wächter zu gehören«, sagte Alistair. »Und ich wette, dass auch keiner von ihnen Abbot oder Martikon heißt!«
    »Manchmal kannst du ja recht unterhaltsam sein, aber das eben war einfach nur unpassend, Alistair«, bemerkte Harriet Chamberlain übellaunig.
    Der Berufsspieler zuckte die Achseln. »Man kann nicht immer ge winnen. Gelobt sei, was hart macht so lässt Nietzsche seinen Zara thustra sagen!«
    Schau an!, fuhr es Byron durch den Kopf, die beiden sind schon beim Du angelangt! Und aus einem ihm selbst unerfindlichen Grund wurmte es ihn.
    »Genug der Mätzchen«,

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