Die Judas-Papiere
Bibelstellen laut vor: ». . . Dann nahm Abraham Butter, Milch und das Kalb, das er hat te zubereiten lassen, und setzte es ihnen vor...«
»Das ist aus Genesis Kapitel 18, Vers 8«, warf Byron ein.
». . . Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen . . .«
»Exodus Kapitel 3, Vers 8.«
». . . Wen will der Mann denn Erkenntnis lehren, wem das Gehörte erklä ren? Kindern, die man eben von der Milch entwöhnte, die man gerade von der Brust nahm?...«
»Jesaja Kapitel 28, Vers 9«, murmelte Byron.
»...An jenem Tag triefen die Berge von Wein, die Hügel fließen über von Milch, und in allen Bächen Judas strömt Wasser . . .«
»Joel Kapitel 4, Vers 18.«
Alistair klatschte dreimal langsam in die Hände. »Sehr schön, Mis ter Bourke. Ein Pfaffe könnte es bestimmt kaum besser. Nur weiß ich nicht, wie uns das auch nur einen Schritt weiterbringen soll.«
Byron ignorierte seinen Einwurf. »All diese Zitate, insgesamt sind es sechsunddreißig . . .«
»Das ist sechs mal sechs«, warf Harriet ein. »Sechs mal die Sechs des Hexagons! Das kann kein Zufall sein!«
Byron nickte ihr zu. »All diese Zitate der ersten drei Seiten bilden meiner Ansicht nach Teil eins. Denn schon auf den ersten Seiten von dem, was ich für Teil zwei halte, sieht es völlig anders aus.«
»Ja, ganz eindeutig!«, bekräftigte Horatio. »Hier beginnt dieses wüste Chaos aus Zeichnungen, Texten und Symbolen, die Mortimer kreuz und quer über die Seiten gekritzelt hat. Was für ein verrücktes Durcheinander!«
»Warten Sie!«, rief Harriet aufgeregt, als Byron schon wieder um blättern wollte, beugte sich vor und tippte auf eine sehr plastische und detailreiche Zeichnung, die eine Säule zeigte. »Das ist die Drei faltigkeitssäule am Graben in Wien! . . . Und das da oben auf der Seite ist der Raphael-Donner-Brunnen am Neuen Markt. Ich bin mir ganz sicher! Wien kenne ich recht gut. Ich hatte da mit meiner Truppe in den letzten Jahren immer wieder längere Engagements.«
Als sie die nächsten Seiten studierte, fand sie noch weitere Wien-Skizzen wie das Beethoven-Denkmal und die Kirche Maria-Stiegen. Dazwischen befand sich eine Seite, auf der sich von oben bis unten fast nur biblische Namen aneinanderreihten. An den Rän dern hatte Mortimer Pembroke sonst nur noch Symbole der Frei maurer sowie wilde Krakeleien hinterlassen. Und die sich wieder holenden biblischen Namen bedeckten auch noch fast die Hälfte der nächsten Seite.
Horatio griff zu seiner Teetasse und lehnte sich zufrieden zurück.
»Sehr gut! Dass Wien unsere erste Station ist, wissen wir ja. Und da mit ist also der Teil zwei in Wirklichkeit Teil eins unserer Reise«, stellte er fest.
»Da würde ich Ihnen recht geben«, sagte Byron. »Mir ging es mit der Einteilung nur darum, die achtundvierzig Seiten erst einmal in klar voneinander zu unterscheidende Abschnitte aufzuteilen und dem System auf die Spur zu kommen, das Mortimer Pembroke ver wendet hat. Und je mehr ich mich mit diesem Journal beschäftige, desto sicherer bin ich mir, dass er zwar in erheblichem Maße geistes gestört war, aber doch genau wusste, was er in diesem Buch wie und zu welchem Zweck zu Papier gebracht hat.«
»Aber wenn die ersten drei Seiten als Teil eins wegfallen, würde das ja bedeuten, dass uns die Reise nur an fünf und nicht an sechs Or te führen wird«, gab Alistair zu bedenken. »Wie lässt sich das mit dem Hexagon in Übereinstimmung bringen?«
»Bestens«, sagte Harriet. »Denn wenn wir an jedem der Orte, an die uns diese fünf Teile führen, einen Hinweis auf das Versteck finden, dann ist das Versteck logischerweise der sechste Ort – und die Sym bolik des Hexagons damit gewahrt!«
Alistair machte ein verblüfftes Gesicht. »Stimmt!«
Byron schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. Dass sie zu so scharfsinniger Logik fähig war, obwohl sie sichtlich unter der See krankheit litt, beeindruckte ihn. »So sehe ich es auch, Miss Chamber lain. Sie haben das schnell erkannt.«
Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick, als wollte sie ihm zu verstehen geben, dass Logik und ein wacher Verstand keine alleinige Domäne der Männer waren.
»Dann sind wir ja schon einen kleinen Schritt weiter«, sagte Hora tio. »Und jetzt lassen Sie uns sehen, was die vier anderen Abschnitte zu bieten haben!«
Was an Teil drei besonders auffiel, waren die sehr genauen Zeich nungen
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