Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
dabei auf die winzigen Papierzipfel tief im Inneren des Buches, die einem weniger scharfen Auge gewiss verborgen geblieben wären.
    »Dann lassen Sie uns doch diese sechsunddreißig Bibelstellen ge meinsam durchgehen und sehen, ob wir ihnen nicht ihr Geheimnis entlocken können«, schlug Harriet vor.
    »Ja, und am besten mache ich mir gleich Notizen, wenn uns etwas Besonderes auffällt«, sagte Byron und zog aus der anderen Jackentasche eines von seinen eigenen Notizbüchern. Es stammte aus dersel ben vornehmen Papierhandlung Parkins & Gotto in der Oxford Street, wo offenbar auch Mortimer Pembroke sein Journal erstanden hatte. Deshalb ähnelte es diesem in Größe, Seitenzahl und grünledernem Einband wie ein Ei dem anderen. Der einzige äußerliche Unterschied zwischen den beiden Notizbüchern bestand darin, dass Byrons etwas abgegriffener war.
    »Also, dann lasst uns mal tief ins christliche Glaubensgut abtau chen«, frotzelte Alistair. Und mit einem Augenzwinkern fügte er noch hinzu: »Denn wie der gute Nietzsche so treffend sagt: Diese Evangelien kann man nicht behutsam genug lesen.«
    »In der Tat! Ihr Lieblingsatheist sagte aber auch: Was ist das Mensch lichste? Jemandem Scham zu ersparen!«, entgegnete Byron. »Und des halb will ich auch gar nicht lange darauf herumreiten, dass die Evan gelien zum Neuen Testament gehören, während die meisten dieser Bibelzitate hier dem Alten Testament entnommen sind.«
    Alistair grinste unbekümmert. »Ich denke mal, auch diese kann man gar nicht behutsam genug lesen.«
    »Und genau damit sollten wir jetzt allmählich anfangen!«, knurrte Horatio.
    »Vielleicht sind die Zahlen, die sich bei jeder Bibelstelle aus Kapitel und Vers ergeben, der geheime Code, der auf diesen Seiten zu ent schlüsseln ist«, sagte Harriet, der es sichtlich guttat, etwas Konkretes zu tun zu haben und dadurch von ihrem körperlichen Unwohlsein abgelenkt zu werden. »Also die 18 und 8 von der Stelle aus der Gene sis, die 3 und die 8 vom Exodus-Zitat, die 28 und die 9 aus Jesaja so wie die 4 und die 18 aus dem Buch Joel.«
    Byron nickte, einmal mehr von ihrer raschen Auffassungsgabe be eindruckt. Und er staunte, weil sie seine Angaben von vorhin so ex akt behalten hatte. »Das ist sehr gut möglich, Miss Chamberlain. Dann würde die entschlüsselte Nachricht vermutlich aus sechsund dreißig Buchstaben bestehen. Den Zahlen werden wir also ganz be sondere Aufmerksamkeit schenken müssen!«
    Sie gingen nun gemeinsam Bibelstelle für Bibelstelle durch, während Byron sich Notizen machte. Dabei trug er die Zahlen der jewei ligen Kapitel und Verse in drei verschiedene Spalten ein. In die erste Spalte schrieb er die Zahlen von Kapitel und Vers dicht nebeneinander, sodass sie jeweils eine Nummer ergaben. In die zweite Spalte kam nur die Nummer des jeweiligen Kapitels, während er in die dritte Spalte nur die Nummer der Versstelle eintrug.
    Als Horatio ihn nach dem Grund fragte, erklärte Byron: »Weil ich nicht weiß, ob beispielsweise bei diesem Zitat hier aus dem Buch der Sprichwörter Salomos – Denn stößt man Milch, so gibt es Butter, stößt man die Nase, so gibt es Blut, stößt man den Zorn, so gibt es Streit die vierstellige Zahl aus Kapitel und Vers, also 3033, Teil des Codes ist. Denn es kann ja sein, dass der Code nur aus den Zahlen der Kapitel, in diesem Fall 30, oder aus der Verszahl, hier 33, besteht.«
    Horatio verzog das Gesicht und tippte sich an die Stirn. »Natürlich! Dumme Frage von mir.«
    »Im Gegenteil!«, widersprach Byron. »Keine Frage oder Annahme ist bei der Kryptologie so dumm, dass sie sinnlos wäre. Oftmals ist man so sehr auf das Komplizierte und Raffinierte fixiert, dass man dabei das ganz Einfache und Offensichtliche glatt übersieht.«
    »Dann sollten wir vielleicht auch den ersten Buchstaben eines je den Zitates aufschreiben!«, schlug Alistair vor. »Denn auch das ergibt am Ende sechsunddreißig Buchstaben.«
    Harriet zog überrascht die fein geschwungenen Augenbrauen un ter ihrem Pony hoch und warf ihm einen Seitenblick zu. »Alle Ach tung! Du kannst also tatsächlich dann und wann auch etwas Hilfrei ches beisteuern, Alistair!«
    Auch Byron fand den Vorschlag beachtenswert und legte eine vier te Spalte an, in die er die Anfangsbuchstaben der Bibelstellen hinter einander eintrug.
    Als sie alle Zitate durchgegangen waren, in den Texten nach verborgenen Hinweisen gesucht sowie alle Zahlen und Anfangsbuchsta ben notiert hatten, waren sie jedoch so schlau wie zuvor –

Weitere Kostenlose Bücher