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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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diese vier Ge stalten hatten wenig mit den drei Männern und der jungen Frau ge mein, die um kurz nach elf vor dem Bristol in seinen Fiaker gestiegen waren und die sich offensichtlich während der Fahrt hinüber in die Josefstadt in seiner Kutsche umgezogen hatten.
    »Also passen Sie gut auf unsere Sachen auf, Max! Sonst bekommen Sie statt der zehn Kronen extra, die wir Ihnen versprochen haben, Ärger mit uns und mit Ihrem Schwager!«, fügte Byron hinzu.
    Maximilian Speckl fasste sich und versicherte nun hastig, dass »der junge Herr Doktor« sich auf ihn verlassen könne. Dann nahm er die Zügel auf und schnalzte mit der Zunge, worauf sich das Gespann wieder ins Geschirr legte. Schnell hatte der Nebel den Fiaker ver schluckt. Für einige Augenblicke waren noch der Hufschlag und das gedämpfte Rattern der sich entfernenden Kutsche zu hören. Aber der Nebel erstickte diese Geräusche bald. Und dann umgab sie eine unwirkliche Stille.
    »Der Hades wartet«, sagte Horatio in die nächtliche Stille, die mit den lautlos wogenden Nebelfeldern in den ausgestorbenen Straßen und dem wenigen Licht der Gaslaternen etwas Beklemmendes an sich hatte.
    Alistair verzog das Gesicht. »Hätte sich Mortimer Pembroke denn nicht einen weniger morbiden und unappetitlichen Ort einfallen las sen können? Musste es denn ausgerechnet die Kloake von Wien sein?«
    »Der Irrsinn treibt nun mal wundersame Blüten«, erwiderte Horatio achselzuckend.
    »So schlimm wird es schon nicht werden«, sagte Byron. »Durch die Kanalisation fließt glücklicherweise nicht nur das Kloakenwasser, sondern auch jede Menge Regenwasser und das Wasser der Bachläu fe, die durch Seitenkanäle den größeren Sammelkanälen zugeführt werden. Und unser Einstieg befindet sich ganz in der Nähe des ein gewölbten Ottakringer Baches.«
    »Ah, da spricht unser Kanalexperte!«, frotzelte Harriet.
    Sie bogen in die Lerchengasse ein. Für einen kurzen Moment war fen ihre Körper im Licht der Laterne an der Straßenecke lange Schat ten auf die Hauswand zu ihrer Rechten. Dann erreichte sie das Gas-licht nicht mehr. Sich mehr vorwärts tastend als sehend, gelangten sie in die kurze Sackgasse, die etwa auf der Mitte der Lerchengasse abzweigte.
    Trotz der Nebelschwaden steuerte Alistair zielsicher auf den Gullydeckel zu. Er hatte sich am Vormittag zusammen mit Harriet über seine genaue Lage und Beschaffenheit informiert, bevor sie zu ihren Einkäufen in den Fachgeschäften für Anglerausrüstung aufgebrochen waren.
    »Hier ist Mortimer Pembrokes Hadesgitter, der Einstieg in die Wie ner Unterwelt!«, rief er seinen Gefährten leise zu und setzte seinen Rucksack ab.
    Byron tat es ihm gleich. Doch während er aus seinem Rucksack zwei gewöhnliche Petroleumlampen holte, die zum Schutz der Glas zylinder in Tücher gewickelt waren, brachte Alistair einen kleinen Holzkasten zum Vorschein, der etwa so groß wie eine Zigarrenkiste war. An seiner Oberseite war ein Handgriff aus Messing angebracht. Aus der Vorderseite ragte ein handgroßer, verspiegelter Blechtrich ter mit einer Glasscheibe hervor und auf der Rückseite befand sich ein kleiner Metallaufsatz mit einem runden Druckknopf in seiner Mitte.
    Byron setzte die Dochte der Petroleumlampen in Brand und band an jeden Tragebügel eine gut mannslange Leine, während Alistair an dem kleinen Holzkasten herumfummelte.
    »Was wollen Sie mit dem komischen Ding, McLean?«, fragte Hora tio leise, der indessen zwischen die Gitterstäbe des Gullydeckels ge griffen und ihn aus seinem eisernen Umfassungsring gehoben hatte.
    »Eine brandneue Erfindung der Firma Ever Ready! Sie nennt sich Flashlight!«, sagte Alistair mit einem breiten Grinsen, richtete den Holzkasten mit dem verspiegelten Blechtrichter auf Horatio und drückte auf den Knopf an der Rückseite. Ein heller Lichtblitz flammte im Trichter hinter der Glasscheibe auf und tauchte Horatio für ein, zwei Sekunden in erstaunlich helles Licht.
    Mit einem unterdrückten Fluch riss Horatio eine Hand vor seine Augen und wandte sich geblendet ab.
    Alistair lachte. »Das hier ist die Zukunft transportabler Leuchten, Freunde! Elektrisches Licht, das von einer Batterie gespeist wird und auf Knopfdruck aufleuchtet!«, erklärte er. »Diese Dinger sollen bald in der Lage sein, sogar dauerhaftes Licht abzugeben. Dann ist Schluss mit den stinkenden Öl- und Petroleumleuchten.«
    »Bis dahin ziehe ich aber eine Petroleumlampe diesem blödsinni gen, nur kurz aufblitzenden Holzkasten allemal vor«, blaffte

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