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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Steinkeil, der die Schädeldecke spaltete, aus Gold. Das wies ihn als einen der ranghohen Perfecti ihres geheimen Ordens aus. Über diesen stand nur noch ihr Bischof Mertikon.
    »Ja, ich glaube, Sie werden mit unserer Arbeit zufrieden sein, Per fectus«, sagte Anton Tenkrad und berichtete, was die Observierung ergeben hatte.
    Aufmerksam hörte der Engländer zu. Als Anton Tenkrad seinen Be richt abgeschlossen hatte, nickte der Perfectus sichtlich zufrieden. »Dieser Bourke hat sich also für die Kanalisation interessiert. Interes sant!«, sagte er dann. »Ich nehme an, du hast dir die Informationen, an denen diesem Burschen so viel gelegen ist, ebenfalls besorgt.« Die dichten Augenbrauen des untersetzten Mannes hoben sich leicht fragend.
    »Ja, Perfectus!«, bestätigte Anton Tenkrad stolz. »Ich habe die Karte des unterirdischen Kanalsystems exakt so kopiert, wie es Herr Bourke getan hat. Hier ist sie.« Er griff in seine Jackentasche und reichte sei nem Ordensoberen ein mehrfach gefaltetes Blatt.
    Der Perfectus studierte die Zeichnung für einen Moment. »Gut. Sie planen also einen Abstieg in die Kanalisation. Und ich bin sicher, dass sie damit nicht lange warten werden. Vermutlich tun sie es schon heute Nacht.«
    »Was sind Ihre nächsten Anweisungen, Perfectus?«, fragte Anton Tenkrad.
    »Die Sache mit dem Kanal übernehme ich«, antwortete Graham Baynard. »Du wirst mit Emil Strohmaier und Hannes Wilke eine ande re Aufgabe übernehmen.« Und nun teilte er ihm mit, was er und sei ne beiden österreichischen Ordensbrüder zu erledigen hatten, wenn sie Bourke und dessen Gefährten in das unterirdische Abwässernetz von Wien folgten.
    Er schloss seine Anweisungen mit den Worten »Und gebt acht, dass ihr keine Spuren hinterlasst! Alles muss hinterher so sein, wie ihr es vorgefunden habt! Denn wer weiß, ob sie das Notizbuch bei ihrem Gang in die Kanalisation bei sich haben. Wir müssen damit rechnen, dass sie es womöglich im Hoteltresor eingeschlossen oder an einem anderen Ort versteckt haben. Und dann müssen wir auf eine andere günstige Gelegenheit zum Zuschlagen warten. Deshalb dürfen sie auf keinen Fall merken, dass sie verfolgt werden.«
    »Wir werden den Auftrag mit größter Sorgfalt ausführen, Perfec tus!«, versprach Anton Tenkrad.
    Graham Baynard nickte knapp. »Ich erwarte auch nichts anderes von einem treuen Ordensbruder. Und jetzt geh! Wir sehen uns spä ter noch. Mertikon Heil!« Damit hob er die flache Hand und setzte sie zum Ordensgruß kurz senkrecht auf die Schädeldecke.
    »Mertikon Heil!«, erwiderte Anton Tenkrad ebenso und wünschte, der Perfectus hätte ihn nicht allein weggeschickt, sondern auf dem Rückweg durch die schaurigen Grüfte begleitet. Aber so war die Welt nun mal, ein verfluchter Ort des Demiurgen, den man wie den Schöpfergott nur aus tiefster Seele hassen konnte.

8
    E s ging auf Mitternacht zu. Die klamme Kälte hatte die Gassen Wiens schon bei Einbruch der Dunkelheit leer gefegt. Mittlerweile hatte sich Nebel gebildet, der durch die Häuserschluchten trieb und die Sicht auf ein, zwei Dutzend Schritte begrenzte. Hier und da schimmerte das Kopfsteinpflaster regennass im Licht einer Gasla terne.
    Wie ein Geistergefährt tauchte der Fiaker an der Ecke, wo die Ler chengasse von der Lerchenfelder Straße abzweigte, aus dem Nebel auf. Der Kutschenschlag schwang auf und vier höchst seltsam gekleidete Gestalten entstiegen dem Gefährt.
    Byron, Harriet, Alistair und Horatio hatten sich jeder ein dünnes, imprägniertes Regencape um die Schultern gelegt und trugen darun ter dick wattierte Anglerjacken und sogenannte Watstiefel. Dabei handelte es sich in Wirklichkeit um wasserdichte Hosen mit eingear beiteten Gummistiefeln, die bis hoch zur Hüfte reichten. Breite Ho senträger, die unter der ärmellosen Jacke über Kreuz getragen wur den, verhinderten ein Rutschen dieser unförmigen Schutzkleidung. Billige Schieberkappen vervollständigten ihren seltsamen Aufzug.
    Byron hängte sich einen der beiden kleinen Rucksäcke über die lin ke Schulter, während Alistair den zweiten an sich nahm, und wandte sich dann an den Kutscher. »Sie warten am oberen Ende der Nibelun gengasse auf uns, wie wir es ausgemacht haben, Max«, trug er ihm noch einmal auf. »Und werden Sie nicht ungeduldig. Es kann eine Weile dauern. Aber dafür werden Sie ja auch fürstlich entlohnt!«
    Der Kutscher Maximilian Speckl, ein Schwager des Hotelportiers, machte bei ihrem Anblick ein verblüfftes Gesicht, denn

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