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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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wir dem Ursprung dieses Dunkelmännerordens auf die Spur kommen.«
    »Und vergesst nicht, was wir als Sicherheitsmaßnahmen bespro chen haben!«, erinnerte Horatio sie noch, bevor sie auseinandergingen. »Einen Stuhl vor die Tür zum Gang! Und die Verbindungstüren entriegeln!«
    Byron schlief unruhig in dieser Nacht. Jedes Geräusch holte ihn aus dem Schlaf. Als er wieder einmal hochschreckte und mit laut pochen dem Herzen in die Dunkelheit seines Zimmers lauschte, nahm er ei ne gepresste Stimme wahr, die von jenseits der Tür zu ihm drang und abgehackte Worte hervorstieß.
    Sofort sprang er aus dem Bett und der letzte Rest schläfriger Be nommenheit wich von ihm. Doch schon im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass diese abgehackte Stimme nicht von jenseits der Tür zum Hotelflur kam, sondern dass es Harriets Stimme aus dem Nebenzimmer war, die ihn geweckt hatte.
    Leise öffnete er seine Verbindungstür, hinter der sich nach einem fußbreiten Zwischenraum die gegenüberliegende Verbindungstür befand, die jetzt auch unverschlossen sein musste. In Harriets Zim mer brannte Licht, wie der Schein unter der Tür verriet.
    Er hörte ihre Stimme jetzt sehr viel deutlicher. Es war ein unver ständliches Gestammel, das auf einmal in ein angstvolles Wimmern überging und so klang, als redete sie im Schlaf und unter dem Ein druck eines Albtraumes.
    Aber was war, wenn es sich nicht um einen Albtraum handelte? Was war, wenn sie sich in Bedrängnis, ja in höchster Lebensgefahr befand und Hilfe brauchte?
    Byron zögerte kurz, dann legte er seine Hand auf die Türklinke und öffnete ganz langsam die Verbindungstür. Durch einen schmalen Spalt spähte er in ihr Zimmer – und sah zu seiner Erleichterung, dass ihr keine Gefahr von einem Eindringling drohte, sondern dass sie in ihrem Bett lag, im Schlaf redete und wimmerte und wohl vergessen hatte, die Nachttischlampe zu löschen.
    Harriet hatte sich bis zur Hüfte von der Überdecke freigestrampelt. Doch Byrons Blick huschte nur kurz über ihren schlanken Körper, der verführerisch durch den dünnen Stoff ihres fliederfarbenen Nacht hemds schimmerte. Ihn rührte vielmehr der gequälte Ausdruck auf ihrem schweißglänzenden Gesicht. Unruhig warf sie sich hin und her, während sie im Schlaf mit den Dämonen ihres Albtraums kämpf te. Auch zuckten ihre Lider und ihre Augen rollten darunter hin und her.
    Einige Sekunden lang stand er unschlüssig in der Zwischentür und sah sie an. Er kämpfte mit dem Verlangen, zu ihr ans Bett zu treten, sie sanft aus ihrem Albtraum zu wecken und in seine Arme zu neh men.
    Wann hatte er das letzte Mal ein solch brennendes Verlangen ver spürt? Damals bei Constance.
    Aber das lag mittlerweile viele Jahre zurück, und hatte er sich da mals nicht geschworen, zukünftig stets der Vernunft die Oberhand über derartige Regungen des Herzens einzuräumen und sich nicht noch einmal solch einem Sturm der Gefühle und Sehnsüchte auszu setzen? Welch verheerende Folgen es für das seelische Gleichge wicht haben konnte, wenn einem die Erfüllung versagt blieb, hatte er trotz der Jahre, die inzwischen darüber vergangen waren, nicht vergessen. Wie hatte er an Leib und Seele gelitten!
    Zudem war Harriet Chamberlain eine stolze und eigensinnige Frau, die es nicht mochte, wenn man sie wie ein schutzbedürftiges, unmündiges Mädchen behandelte. Auch passte sie wohl eher zu ei nem unkonventionellen Mann wie Alistair, mit dem sie sich ja von Anfang an am besten verstanden hatte. Bestimmt würde sie empört sein, wenn er sie weckte und sie merkte, dass er in ihr Zimmer ge kommen war und sie im Schlaf beobachtet hatte, ohne dass Gefahr für ihr Leben bestanden hatte.
    Und doch. Vielleicht . . .
    Byron versagte es sich, diesem sehnsüchtigen Gedanken nachzu gehen. Mit einem Ruck wandte er sich von ihrem Anblick ab und zog die Zwischentür leise hinter sich zu.
    Der Schlaf wollte sich so schnell nicht wieder einstellen. Und so lag er wach im Bett, lauschte mit brennendem Herzen Harriets erstick ten angstvollen Rufen und ihrem Wimmern, bis der Albtraum sie endlich freigab und er in der Dunkelheit nur noch seinen schnellen Herzschlag hörte.

13
    A listair und Harriet saßen, umgeben von Farnen und Kübelpalmen, im glasgedeckten Wintergarten des Bristol über ein Schachbrett ge beugt, als Byron und Horatio am späten Vormittag des folgenden Ta ges von ihren Recherchen aus dem Lesesaal der Universitätsbiblio thek zurückkehrten.
    Byron hatte Horatio um neun im

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