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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Schuld, Miss oder Missis . . .«
    »Miss Chamberlain-Bourke«, stellte Harriet sich vor. »Und was Ihre ›Schuld‹ betrifft, so darf ich Sie beruhigen, Mister Sahar. Es war mir ein Vergnügen.«
    Der Waffenhändler lachte verhalten auf. »Sehr charmant, Miss Chamberlain-Bourke.« Dann zeigte sich eine nachdenkliche Falte auf auf seiner Stirn. »Sagen Sie, sind wir uns schon einmal begegnet?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Merkwürdig, denn irgendwie kommen mir sowohl Ihr Name als auch Ihr Gesicht bekannt vor. Mir ist, als ob ich Ihnen schon einmal begegnet bin. Und ich könnte schwören, dass es in Wien gewesen sein muss. Sie müssen wissen, dass ich ein exzellentes Gedächtnis habe, was Namen und Gesichter angeht.«
    »Möglicherweise haben Sie in Wien eine meiner Varietévorstellun gen besucht«, sagte Harriet.
    Das runde Gesicht des Waffenhändlers leuchtete auf wie ein Mond im Licht der Sonne. »Natürlich! Das ist des Rätsels Lösung. Sie sind Seilartistin und Messerkünstlerin! Ich wusste doch, dass ich schon einmal das Vergnügen hatte, Sie zu bewundern!«
    »Verdammter Schleimer!«, zischte Alistair. »Um ein Haar wäre er gerade von dem Burschen da wie ein Schwein abgestochen worden, und schon versucht er, Harriet zu umgarnen!«
    Der Oberkellner, blass vor Bestürzung über den Mordanschlag auf einen seiner wichtigsten Stammgäste, drängte sich nun in Beglei tung zu ihnen durch. Er wurde dicht gefolgt von einem kleinwüchsi gen, jungen, aber schon recht wohlbeleibten Mann mit schmalem Oberlippenbart und maßgeschneidertem Frack, der sich knapp als Monsieur Poirot aus Belgien vorstellte und sich dann sogleich dem am Boden liegenden Verbrecher zuwandte, der soeben mit einem lang gezogenen Stöhnen wieder zu sich kam.
    »Mon dieu, da haben Sie ihm ja eine prächtige Platzwunde ver passt«, sagte er in Harriets Richtung, während er dem noch immer benommenen Mann die Hände auf den Rücken drehte. »Obwohl ich davon ausgehe, dass die Tatsache, von einer beherzten jungen Dame an der Ausführung seines schändlichen Vorhabens gehindert und von ihr in Orpheus’ Arme geschickt worden zu sein, ihm noch erheb lich länger Schmerzen bereiten wird als seine Kopfwunde. Nun denn, wir sollten ihn gut verschnüren und ihn dann einem Verhör unterzie hen. Ich denke, auch Monsieur Sahar wird einiges zur Klärung dieses Mordanschlags auf seine Person beitragen können.«
    Der Waffenhändler nickte. »Ja, der Mann ist mir wahrlich nicht un bekannt. Sein Name ist Francisco Alvarez Juan y Azcarte, ein spani scher Edelmann mit allerdings schlechten Umgangsformen . . .«

4
    E ine gute Stunde später saßen sie mit Basil Sahar im Rauchsalon. Der Waffenhändler hatte darauf bestanden, dass auch Harriet ih nen dort Gesellschaft leistete, obwohl dieser Teil des Salonwa gens sonst den männlichen Gästen vorbehalten war und die Frau en ihren Kaffee oder Sherry nach dem Dinner im Boudoir zu sich nahmen.
    Die Männer hatten Brandy vor sich stehen und sich bis auf Alistair, der nichts als seine Gold Flake als Rauchware gelten ließ, eine Zigarre angesteckt, während Harriet ein Glas Tokaier bestellt hatte und sich ungeniert an Alistairs Zigaretten bediente.
    »Ich glaube, ich bin nun auch Ihnen eine Erklärung für den Vorfall im Speisewagen schuldig«, sagte Basil Sahar. »Das scheint mir nur recht und billig, nachdem dieser kleine Belgier wie ein ungarischer Hauptkommissar in Gegenwart des Oberkellners mich und Francisco y Azcarte ins Verhör genommen hat.«
    »Sie sind uns keine Erklärung schuldig«, sagte Byron. »Aber natür lich würden wir schon gerne wissen, was diesen Mann dazu getrie ben hat, Ihnen nach dem Leben zu trachten.«
    »Wenn ich mir eine Vermutung erlauben darf«, fügte Alistair hinzu, »so würde ich einiges darauf wetten, dass der Tat dieses mordlusti gen Spaniers gewisse leidenschaftliche Motive zugrunde liegen, die mit Ihrem Ruf als Frauenbetörer zusammenhängen.«
    In Harriets Mundwinkeln zuckte es belustigt.
    Basil Sahar nahm diese nicht gerade schmeichelhafte Unterstel lung gelassen hin und nickte. »Und damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, Mister McLean. Francisco y Azcarte hat sich in die Idee verrannt, dass ich seine junge Frau vor einigen Jahren . . . nun ja, dass ich sie ihm abspenstig gemacht habe.«
    »Ein schwerer Vorwurf, an dem natürlich nichts Wahres dran ist«, warf Alistair ein.
    Der Waffenhändler nahm auch diese Spitze ohne Verärgerung hin und entgegnete mit einem

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