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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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eigentlich liebte er es, beim Schlafen tiefste Dunkelheit um sich herum zu haben. Dann konnte er seinen Gedanken am besten freien Lauf lassen.
    »Danke, Byron.«
    »Nichts zu danken, Harriet.«
    »Was für ein Tag!«
    »Fürwahr! An Aufregungen hat es wirklich nicht gemangelt.«
    »Was uns wohl in den Karpaten und auf dieser Burg des Grafen Ko vat erwarten wird?«, sinnierte sie mit schläfriger Stimme.
    »Ich schätze mal, eine Menge Schnee – und hoffentlich ein toter Templer, der uns sein Geheimnis verrät. Sofern wir ihn denn finden.«
    Sie lachte leise. »Das werden wir. Und Sie werden den Code kna cken. Das ist so sicher, wie Alistair die Finger nicht vom Glücksspiel lassen kann.«
    »Ihr Vertrauen ehrt mich.«
    »Ich bewundere Menschen, die über eine umfassende Bildung ver fügen und sich in jeder Lage und jeder Gesellschaft ihrer selbst si cher sind«, kam es leise von unten.
    Ihre überraschenden Worte weckten ein warmes Gefühl tiefer Zu neigung in Byron. Und er brauchte einen Moment, um seine Verle genheit zu überwinden und eine angemessene Antwort zu finden.
    »Erlauben Sie mir das Eingeständnis, dass die Bewunderung gegen seitig ist«, sagte er schließlich etwas steif in seinem Bemühen, einer seits nichts Falsches zu sagen, ihr aber andererseits zu verstehen zu geben, welch hohe Meinung er von ihr hatte. »Und zwar nicht erst seit Ihrem Heldenstück im Speisewagen. Zudem ist Bildung nichts, was um ihrer selbst der Bewunderung wert ist. Es kommt wohl vielmehr darauf an, wie und zu welchem Zweck man von ihr Gebrauch macht.«
    »Sehr wahr«, erwiderte sie und fügte dann recht ernüchternd hin zu: »Manchmal können Sie mit Ihrem vielseitigen Wissen einem nämlich ganz schön auf die Nerven gehen!«
    Byron musste schlucken. »Oh, das...das bedaure ich natürlich«, murmelte er.
    »Aber lassen Sie sich deshalb nicht die Nachtruhe verderben. Sie sind keineswegs so unausstehlich, wie ich anfangs gedacht habe«, sagte sie mit einem vergnügten Ton in der Stimme. »Mittlerweile bin ich ganz froh, dass Sie mit von der Partie sind. Und jetzt Gute Nacht! Schlafen Sie gut!«
    »Ja, Sie auch«, erwiderte Byron etwas niedergedrückt, denn ihm war plötzlich bewusst geworden, dass dieses »ganz froh« schon alles war, was sie für ihn empfand. Aber trotz dieses recht enttäuschen den Gedankens fiel er bald in den Schlaf.
    Mitten in der Nacht, als Budapest schon viele Stunden hinter ihnen lag, erwachte er. Zuerst drang nur der gedämpfte Ton der Räder an sein Ohr, der ihm wie der einschläfernde Rhythmus eines monoto nen Wiegenliedes klang. Dann vernahm er das abgehackte Stam meln und Wimmern, das von Harriet kam. Wieder einmal schien ein Albtraum sie im Schlaf zu quälen.
    Hellwach lag er im Bett, lauschte nach unten und überlegte, was er tun sollte. Schließlich richtete er sich auf, schob den Vorhang zur Seite und stieg vorsichtig hinab. Unten verharrte er mehrere Augen blicke reglos vor ihrem Bett, bevor er den Mut fand, ihren Vorhang ganz langsam ein Stück aufzuziehen. Das Licht der Nachtleuchte fiel nun auf sie. Wie vor Tagen im Hotel Bristol hatte sie sich in ihrem un ruhigen Schlaf halb freigestrampelt.
    Wieder wartete er einige Sekunden und sah sie nur an. Doch nicht mit dem lüsternen Blick des Voyeurs, der sich an der kaum verhüllten Nacktheit eines anmutigen Körpers weidete, sondern mit dem eines Liebenden, den es schmerzte, die Geliebte so gequält zu sehen.
    Schließlich nahm er sich ein Herz, setzte sich mit größter Behut samkeit auf die Bettkante und strich mit seiner flachen Hand leicht wie eine Feder über ihren nackten Arm. »Scht!«, raunte er dabei. »Sei ganz ruhig! . . . Keiner kann dir etwas antun ...Esist nur ein Traum... Ganz ruhig, Harriet . . . ganz ruhig.« Und immer wieder glitt seine Hand mit zärtlicher Sanftheit über ihre Haut.
    Eine ganze Weile saß er so an ihrem Bett, flüsterte ihr beruhigende Worte zu und streichelte ihren Arm. Plötzlich seufzte sie tief. Ihr Wimmern und unverständliches Stammeln erstarben. Gleichzeitig verlor ihr Gesicht den gequälten Ausdruck, es entspannte und glätte te sich, ja wurde fast zu einem stillen, in sich gekehrten Lächeln. Nun ging ihr Atem wieder ruhig und gleichmäßig. Der Albtraum war von ihr gewichen.
    Es fiel Byron schwer, sich von ihrem Anblick loszureißen, sich vor sichtig von ihrem Bett zu erheben und den Vorhang wieder zu schlie ßen.
    Als er wieder oben in seinem Bett lag, fragte er sich mit einem heißen Brennen in der

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