Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
sich wieder zu seinen Gefährten um.
»Sehen Sie etwas? Einen Hügel?«
Sie verneinten; sie sahen nur Gemälde an den Wänden, die im Licht ihrer Taschenlampen schimmerten. Rienzi überlegte. Aus irgendeinem Grund reichte ihre spirituelle Einsicht nicht so tief wie seine; sie konnten zwar Dinge wahrnehmen, aber nicht so durchdringend wie er. Und der Präfekt? War er gestorben, weil er versucht hatte, zu tief in die mystische Welt einzutauchen? Und der Papst? Was hatte der gesehen?
Rienzis Neugierde war erweckt.
»Gehen wir weiter!«
Rienzi stieg die Treppe zum dritten Stock hinauf und trat abermals in die mystische Welt ein. Er befand sich am Fuß des vatikanischen Hügels. Jenseits der Ansicht der Stadt Rom (die zu verblassen schien) sah er ein Schloss. Dessen äußere Erscheinung war seltsam; es besaß sieben mächtige äußere Mauern.
Rienzi beschloss, es aufzusuchen. Noch während er seinen Entschluss fasste, verspürte er, wie er dorthinging. Er betrat einen Wald. Rings um ihn herum waren Bäume – besser gesagt, die vermoderten Stämme von Bäumen. Der Wald war abgestorben, die Bäume trugen keine Früchte. Während Rienzi weiter die Stufen des Turms der Winde erklomm, schritt er auch in mystischer Hinsicht weiter voran. Als er den Wald verließ, wurde der Boden umso trockener, je näher er dem Schloss kam. Schließlich verwandelte sich der Boden in Wüste. Trotzdem entfaltete sich ein Pfad vor ihm, als leite ihn ein unsichtbarer Führer, der den vor Rienzi liegenden Weg markierte. Schließlich erreichte dieser das Schloss. Es war einst ein gewaltiges Bauwerk gewesen, inzwischen jedoch stark verfallen, die Mauern bröckelten. Rienzi ging um das Schloss herum und erblickte sieben große Tore, alle fest verschlossen. Wie könnte er dort hineingelangen? Rienzis Vision verschwand.
Inzwischen waren alle drei Kardinäle im dritten Stock des Turms der Winde angekommen und betraten das Zimmer des Alten Testaments. Einer der Kardinäle leuchtete mit seiner Taschenlampe nach oben. An den Wänden erschienen Gemälde: Debora ermahnt Barak, in die Schlacht gegen Sisara zu ziehen. Ruth schläft zu Füßen von Boas. Abigail kniet vor David. Rienzi seufzte. Die Bilder enthielten sicherlich mystische Einsichten. Diese Gemälde waren spirituelle Brunnen.
»Sehen Sie etwas?«
»Nein.« Seine beiden Gefährten sahen, dass der Raum leer war. Die drei betraten das Zimmer des Tobias, den letzten Raum. Nichts. Aber hier konnte doch nicht nichts sein, oder? Der Papst wäre doch nicht wegen nichts hierhergekommen, es
musste
hier etwas geben. Verärgert richtete Rienzi seine Taschenlampe auf die Wandgemälde. Tobias fängt einen Fisch. Tobias wird von Raguel begrüßt. Tobias stellt das Augenlicht seines Vaters wieder her. Was bedeuteten diese Bilder? Er war ratlos. Vielleicht sollten sie zurück in den zweiten Stock gehen, vielleicht war sein spirituelles Wissen nicht genügend entwickelt für dieses Einsichtsniveau? Zufällig erhellte seine Taschenlampe ein Gemälde neben der Tür: Rafael fesselt einen Dämon in der Wüste.
Während der Lichtschein auf das Gemälde fiel, erwachte es zum Leben. Rienzi stand abermals vor dem Schloss, eines der sieben großen Tore begann sich langsam zu öffnen. Traute er sich, dort hindurchzugehen? Hin- und hergerissen, konnte er die Anwesenheit seiner Kardinalskollegen nicht mehr spüren. Er ging hindurch.
Im Nu wurde seine Vision dunkler und dann heller. Er stand noch immer im Zimmer des Tobias im dritten Stock des Turms der Winde, aber es war voller Holztruhen. Großen Truhen, so wie sie im Mittelalter zur Aufbewahrung seltener – oder geheimer – Gegenstände verwendet wurden. Rienzi blinzelte, aber das Bild blieb bestehen. Als er Rufe hörte, ging er zu einem Fenster. Unten im Hof wurde ein großes Fest abgehalten. Er sah Menschen, die jauchzten und tanzten – in Kostümen aus alter Zeit. Um welche Epoche handelte es sich? Aus dem Turm der Winde rief er den Menschen etwas zu; niemand schien ihn zu hören. Er sollte besser gehen.
Rienzi wandte sich um und erblickte eine Gestalt. Eine mythische Figur, die sich sogleich in eine Gestalt verwandelte, die ein Mensch mit seiner begrenzten Hirnkapazität sofort erkennen konnte. Der Kardinal nahm den Engel wahr. Dieser war kräftiger gebaut als ein Mensch, größer, mit besonders scharfen, ausgeprägten Gesichtszügen – ähnlich denen eines Adlers. Er hielt eine Schriftrolle in der Hand und wandte sich an Rienzi, richtete seine
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