Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Aufmerksamkeit auf ihn; sie begegneten sich in der spirituellen Dimension.
Der Kardinal sah etwas, was ein menschlicher Leib zu sein schien, der nicht weit von dem Engel entfernt dalag. Letzterer machte jedoch eine winzige Handbewegung, um die Schatten der menschlichen Wirklichkeit zu verdunkeln, und zwar so, dass Rienzi alle Gedanken an den Leichnam des Präfekten vergaß. Die beiden Wesen maßen sich. Rienzi bekam Herzklopfen, gleichzeitig wurde ihm klar, dass das Wesen mit ihm kommunizierte.
Der Engel sucht nach etwas. Der Gedanke gehörte Rienzi, aber den Inhalt hatte ein anderer fabriziert. Er will meine Hilfe.
»Wer bist du?«, fragte Rienzi laut. Zumindest glaubte er zu sprechen.
Wonach
wir
suchen, befindet sich im Tresor. Als dieser Gedanke in Rienzi drang, verspürte er einen inneren Glanz der Freude. Sowohl er als auch der Engel suchten dasselbe; es lag im Safe des Präfekten, doch menschliches Eingreifen war erforderlich. Wo aber war der Schlüssel zum Tresor? Während er dies dachte, sah Rienzi vor seinem inneren Auge die Vatikanische Bibliothek, das Zimmer des zuständigen Kardinals, eine Schublade und einen Schlüsselbund darin – Schlüssel, die dem Präfekten gehört hatten.
Würde ich ihm helfen?
Ein Gefühl des Entzückens drang in Rienzis Herz, so als hätte er vom süßesten Wein getrunken. Es war verzaubernd. Würde er dem Engel helfen?
»Kardinal!«
Rienzi spürte, dass Hände seinen Körper schüttelten, ihn wachrüttelten. Die Taschenlampe glitt ihm aus der Hand, seine menschlichen Augen öffneten sich.
»Geht es Ihnen nicht gut, Kardinal? Sie waren in Trance.«
Rienzi stand wieder im Zimmer des Tobias im Turm der Winde. Es war kalt und leer. Seine Gefährten hatten Angst.
»Wir können jetzt gehen«, sagte Rienzi. »Ich habe gefunden, wonach ich suchte.«
30
Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden
auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen,
um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Matthäus 10,34
Ü ber der Ewigen Stadt ging die Sonne auf. Im Laufe der Jahrhunderte hatte Rom viele Katastrophen, viele Desaster erlebt. Doch wie ein Betrunkener war die Stadt, nachdem sie gestrauchelt und gestürzt war, immer wieder langsam auf die Beine gekommen. Nur wenige Katastrophen hatten größere Verwüstungen hinterlassen als der Schwarze Tod, der die Tore der Stadt im August 1347 erreichte. Die Bevölkerung war zu Tode verängstigt – umso mehr, als sie bereits von den erschütternden, grauenerregenden Auswirkungen der Pest in anderen italienischen Städten wusste. Ein Schriftsteller hatte notiert:
Der Vater verließ sein Kind, die Frau den Mann, ein Bruder den anderen; denn diese Krankheit schien über Atem und Anblick zuzuschlagen. Und so starben die Menschen. Und man konnte keinen finden, der die Toten gegen Geld oder aus Freundschaft begrub. Die Angehörigen eines Haushalts brachten ihre Toten zu einem Graben, so gut sie konnten, ohne Priester, ohne Gottesdienst. Auch schlug die Totenglocke nicht. Und an vielen Orten wurden große Gruben ausgehoben, in denen sich eine Vielzahl von Toten stapelte.
Dies waren noch milde Worte für all das Chaos und Leid. Als deutlich wurde, dass vermutlich jeder Zweite dahingerafft werden würde, nahm die Furcht vor der Pest im Rom des Mittelalters endemische Ausmaße an, lange bevor die Seuche vor den Toren der Stadt ankam. Manche Menschen starben vor Angst. Andere starben, weil sie einfach die Hoffnung aufgaben. Warum diese fürchterliche Krankheit über sie hereingebrochen war, was sie verursacht hatte, was man vielleicht tun konnte, um ihr zu entrinnen – weil den Menschen jede Antwort fehlte, überwältigte die rational Denkenden jener Zeit ein tiefes Untergangsgefühl. Schließlich versuchten Männer und Frauen ihr Leben lang dem Tod zu entrinnen, wobei ihre größte Angst darin bestand, dass er sie unerwartet ereilen könnte. Gefangen in der Schlinge eines unsichtbaren Jägers, zu einem Zeitpunkt, da sie am wenigsten erwarteten, sich mit ihrer Sterblichkeit abzufinden, und – bei vielen – da sie am wenigsten darauf vorbereitet waren, ihrem Herrgott gegenüberzutreten.
Bei der Angst vor der Pest handelte es sich nicht nur um eine menschliche, sondern auch um eine spirituelle Angst. Der Körper wie auch der Geist waren davon betroffen, denn die Geschichte der Menschheit, vor allem die Geschichte traumatischer Ereignisse, wurde von einer Generation zur nächsten weitergereicht.
Vergraben wie ein Samen im
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