Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Geld zu verdienen, erinnert er sich, dass er einmal ein Kind festgehalten hat, damit es nicht auf die Straße läuft? Natürlich nicht, es war ja nur das Ausstrecken seines Armes. Aber was war mit dem geretteten Menschenleben? Seine unbedeutende Handlung würde eine andere ermöglichen, und weitere, so dass letztlich viele gute Werke daraus entstanden. Eine zufällige Handlung, ein geäußertes Wort, ein geschriebener Satz. Immateriell in der menschlichen Dimension, aber von riesiger spiritueller Bedeutung in einer Welt, in der es keinen Zufall gab. Wunder geschahen überall auf der Erde, jede Minute. Menschen gaben ihr Leben, um andere zu beschützen, ihre Zeit, um anderen zu helfen, ihre Besitztümer, um andere zu ernähren. Als er dieser Akte des Ruhms inneward, sah Josua auch, wie Satan unablässig daran arbeitete, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Eine vor Verzweiflung zerbrochene Seele wurde in den Selbstmord getrieben – überzeugt, dass ihr Leben wertlos sei. Keinesfalls! Ihre Krone wurde für sie geflochten. Nur: Es handelte sich nicht um eine menschliche Krone, sondern um eine spirituelle.
»Josua, wach auf!«
Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter, es war Bruder Theodore.
»Wo ist Jussef?«
»Draußen. Heute wirst du ins Kloster zurückkehren. Verstehst du?«
»Es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben.«
»Ja«, sagte der Mönch. »Es ist an der Zeit. Der Mensch kam von Gott zum Garten Eden und aus diesem Garten zur Erde. Er wird auf demselben Weg zurückkehren. Er wird die Heimreise aus dieser Welt zur spirituellen Welt und dann zur göttlichen Welt antreten. Als der heilige Petrus drei Männer auf einer Bergspitze erblickte, da sah er Moses, Elias und Christus. Das heißt, er ward dem Menschen inne, der in menschlicher, spiritueller und göttlicher Gestalt vervollkommnet war. Er hat nie den Glauben daran verloren, dass diese Welt kommen wird, und du darfst das auch nicht.«
»Die zwölf Stämme?«
»Die Kinder symbolisieren, so wie die zwölf Apostel, die Stämme Israels – die ganze Menschheit. Der schwächste dieser Stämme ist der Stamm des letzten Apostels. Judas war ein Apostel. Er ist ein Symbol für die, die nicht nur Böses tun, sondern auch die Barmherzigkeit Gottes zurückweisen. Er und sein Stamm werden nach Hause gerufen, und du bist aufgefordert, ihn anzuführen.«
»Warum ich?«
»Du kennst inzwischen die Antwort darauf, nicht wahr?«, sagte der betagte Mönch freundlich. »Weißt du, Christus hat nie aufgehört Judas zu lieben – niemals. Und der Apostel unter allen Jüngern, der Judas am nächsten stand, war der heilige Petrus; er wusste, was es heißt zu verraten.«
»Du wirst mich verlassen, nicht wahr?« Josua weinte.
Der alte Mann umarmte ihn. »Satan ist im Begriff, uns anzugreifen. Ich werde standhalten, solange ich kann. Der Papst auch. Lebe wohl! Wir werden uns hier auf Erden nicht wieder treffen.«
Der Mönch trat einen Schritt von seinem Schützling weg. In dieses kleine Gefäß der Demut legte die Kirche ihren Glauben. Es war immer so gewesen; der Fels der Kirche waren die Armen im Geiste. Würde Josua es schaffen? Theodore wusste es nicht.
»Und vergiss nicht:
Halt durch, ganz bis zum Ende!
«
43
Die Tiefen Gottes willst du finden …?
Hiob 11,7
D ie Kirchen werden sich vereinigen!«
Die Ankündigung, dass die russisch-orthodoxe Kirche sich mit der katholischen Kirche vereinigen und die Autorität des Papstes akzeptieren würde, war von historischer Bedeutung. Und kam völlig unerwartet.
Nichts hatte auf dieses Ereignis hingedeutet. Vielmehr hatte der russische Patriarch einige Wochen zuvor seine große Skepsis hinsichtlich einer solchen Vorgehensweise geäußert. Schließlich waren ja einige knifflige theologische Probleme zu lösen – von solcher Komplexität, dass sie den Kirchenleuten (hoffentlich) eine lebenslange Anstellung bescheren würden. Denn wenn die Verehrung des Göttlichen mit solchen Dingen wie der kirchlichen Hierarchie, den Pensionsplänen und Jobs für die Jungs kollidierte, dann wusste jeder, wer der Verlierer sein würde.
Auf dem Großen Konklave hatten der russische Patriarch und verschiedene weitere orthodoxe Kirchenführer ihre skeptische Haltung wieder gezeigt. Sicher, beide Religionen waren im Grunde identisch. Sie brachen das gleiche Brot, aber der Geschmack unterschied sich doch, nicht wahr? Wie bei einem Sandwich war das Brot Roms ein bisschen zu scharf gewürzt – ein wenig zu italienisch. Gewiss,
Weitere Kostenlose Bücher