Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
was wurde aus ihren Pensionen?
»Wann wollen Sie das Grab öffnen?«
»Es dauert ein, zwei Tage, bis ich eine Kamera besorgt habe«, sagte Rienzi. »Ich werde meinen Neffen um Hilfe bitten. Aber Sie müssen herausfinden, was es mit diesen Besuchern auf sich hat. Uns läuft die Zeit davon.«
44
Die Leichen liegen wie Dünger auf dem Feld,
wie Garben hinter dem Schnitter;
keiner ist da, der sie sammelt.
Jeremia 9,22
W ie viele sind heute gestorben?«
»Mindestens vier Millionen.«
Martinelli stand im Konferenzzimmer im vierten Stock des Präsidentenpalasts. Auf der anderen Seite der riesigen, den Raum unterteilenden Glaswand standen sein Geheimdienstchef und der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, die weiße Schutzanzüge und Schutzmasken trugen.
»Vier
Millionen?
«
»Eine geschätzte Zahl«, sagte Tiziano. »Wir gleichen unsere Satellitendaten mit der CIA ab. Außerdem haben wir Informationen von Beamten, die noch in den Städten und Dörfern leben.«
»Die Seuche ist nicht aufzuhalten.«
»Ohne Zweifel.« Wegen der Schutzmaske klang die Stimme des Geheimdienstchefs gedämpft und emotionslos. »Die Menschen überqueren nach wie vor die Grenze bei Nacht oder an nicht bewachten Stellen. Zu Hunderten kommen Flüchtlinge aus Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Österreich. Es gibt keine Hoffnung mehr, die Seuche einzudämmen.«
»Aber warum kommen diese Leute immer noch über die Grenzen? Das ist doch Wahnsinn. Die stecken sich doch mit dem Virus an, noch während sie ins Land kommen.«
»Natürlich«, sagte Tiziano. »Aber sie versuchen, nach Hause zu ihren Angehörigen zu kommen. Sie wollen nicht allein sterben. Sie wissen, dass die Epidemie sie alle töten wird.«
»Jesus Christus.« Die Wörter waren Martinelli herausgerutscht. Er wischte sich Tränen aus den Augen. Schweigend saßen sie da.
»Wenn heute vier Millionen gestorben sind, werden morgen mindestens zwei- oder dreimal so viele tot sein. Das bedeutet, dass Italien in weniger als einer Woche ausgestorben sein könnte. Das Virus lässt sich nicht stoppen, Roberto, und je länger du hierbleibst, umso größer ist die Gefahr, dass du dich ansteckst. Wir müssen dich auf die Insel bringen. Wie ich dir bereits gesagt habe, wir haben dort ein Kommunikationszentrum eingerichtet, damit du Ansprachen an die Bevölkerung halten und mit mir hier in Kontakt bleiben kannst …«
»Hier?«
»Ja«, sagte Tiziano. »Wir bleiben hier.« Mit einem Nicken wies er auf den Chef der Streitkräfte. »Das Operationszentrum bleibt in Rom, bis wir zu dir auf die Insel ziehen.«
»Zu mir?«
»Ja!«, rief Tiziano verärgert. Was war denn heute los mit dem Chef? »Ich will auch leben, weißt du.«
Während er zuhörte, fielen Martinelli die Worte des Papstes ein – dessen Warnung, dass er, wenn er Rom verließ, dort auf der Insel sterben werde. Konnte es sein, dass sein Geheimdienstchef ein Komplott gegen ihn schmiedete, um an die Macht zu kommen?
»Ich gehe noch nicht.«
»Aber du musst die Stadt verlassen! Die Lage wird sich verschlechtern.«
»Warten wir ab, was morgen passiert.«
Tiziano und der Armeechef schüttelten verwundert den Kopf. In seinem Palast verschanzt, war der Ministerpräsident anscheinend nicht mehr imstande, das Fürchterliche an der ganzen Situation zu verstehen. Tiziano zeigte auf seiner Seite der Glasabtrennung auf einen Computerbildschirm und aktivierte ihn. Eine Landkarte der Welt erschien. Sie war in tiefes Rot getaucht, mit großen gelben und weißen Flächen.
»Die CIA schätzt, dass sich die Lage erheblich verschlechtern wird. Das Virus tötet alle Tiere.«
Tiziano drückte auf ein anderes Icon.
»Das ist die neue Situation, wie sie sie für die kommenden zehn Tage berechnet haben. Überall gelb und weiß – auch in Italien. Roberto, die Amerikaner bezweifeln, dass irgendjemand überlebt. Ihre Atomwaffenstützpunkte und Atom-U-Boote sind betroffen, ihre geheimen Bunker und Verstecke in den Bergen. Und wenn die Leute nicht an der Seuche sterben, dann an Unterernährung und Mangel an Trinkwasser. Die Amerikaner hatten vor, ein Raumschiff loszuschicken, aber einer ihrer Astronauten ist an der Viruskrankheit gestorben. Die anderen wollen nicht fliegen. Die Welt kommt an
la fine
.« Tiziano hob theatralisch die Hände. »Also, hast du das verstanden?«
Martinelli schaute wie gebannt auf den Bildschirm. Im 20. Jahrhundert hatte die Menschheit methodisch das Aussterben anderer Arten berechnet, jetzt tat sie das Gleiche
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