Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Jussef betrübt. »Aber der Bischof hat mir am Telefon bestätigt, dass der Patriarch mit
dir
sprechen möchte. Wenn wir jetzt nicht gehen, verspäten wir uns. Ich begleite dich.«
Mit einem Abschiedsnicken in Richtung Pater Hassans führte Jussef Josua aus der Kirche und zur Hauptstraße. Sie winkten ein Taxi heran und stiegen ein. Der Patriarch hielt einen Gedenkgottesdienst in der Kathedrale auf der anderen Seite von Alexandria, und bei dem Verkehr würden sie mindestens eine Stunde brauchen, um dort hinzukommen.
Das Taxi, ein so altes und verbeultes Gefährt, dass es vermutlich schon Steine zum Bau der Pyramiden befördert hatte, fuhr los. Beide Fahrgäste blickten aus dem Fenster, verloren in ihren Gedanken. Während der Wagen mit dem Tempo eines einbeinigen Esels dahinfuhr, blickte Jussef mit wachsender Besorgnis auf die Uhr. Zu spät zu einer Verabredung mit dem Patriarchen einzutreffen, das wäre unverzeihlich – eine Sünde, die Ehebruch und Mord in einem gleichkäme. Josua seinerseits war völlig sorglos und plauderte gut gelaunt mit dem Taxifahrer. Josua war noch nie zu einem Treffen mit jemandem eingeladen worden, der in der klerikalen Hierarchie so hoch stand wie der Patriarch, und hatte keine Ahnung, warum er jetzt so bevorzugt wurde. Aber so war es nun einmal. Das Leben steckte voller Geheimnisse. Es wurde immer wärmer im Taxi. Jussef blickte stur auf seine Armbanduhr; die Zeiger bewegten sich schneller als das Taxi.
»Glauben Sie, dass Gott jemals mit jemandem spricht?«
»Wie bitte?«
Josua wiederholte seine Frage.
»Nein, natürlich nicht«, rief Jussef verärgert aus. »Was für eine dumme Frage!«
»Und wieso nicht?«
»Wieso nicht?« Der Priester hob dramatisch die Hände. »Weil er das Universum regiert, Josua. Er hat keine Zeit für unbedeutende Dinge.«
»Wenn er Gott ist, hat er Zeit für alle.«
Jussef blickte ihn mit einer Miene an, die seinen Bammel deutlich zum Ausdruck brachte. Wenn sie zu spät zum Treffen mit dem Patriarchen kämen, würde er vor Scham vergehen. Er musste seine Wut an jemand anderem auslassen. »Können Sie denn nicht schneller fahren?«, rief er dem Taxifahrer zu, der seinen Tabak mit der Zufriedenheit einer Kuh wiederkäute. Der Fahrer ignorierte ihn. Sie steckten im Stau, was wollte der Kerl denn? Dass er abhob?
»Hat Gott je mit Ihnen gesprochen?«
Pater Jussef schloss die Augen und fuhr sich mit der Hand durchs ungekämmte Haar. Das würde ja ein herrlicher Tag werden! »Ist das eine theologische Frage?«
»Nur eine allgemeine.«
»Gott hat nie mit mir gesprochen – und wird es auch nie tun.«
»Warum?«
»Weil ich es nicht von ihm erwarte und … weil ich ihm im Augenblick, wie ich glaube, nicht viel zu sagen habe.« Jussef schaute wütend auf seine billige Armbanduhr, die er am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte. Wie es aussah, würde der Stau sich nicht so schnell auflösen.
»Ist doch nicht schlimm, wenn wir uns verspäten«, sagte Josua. »Der Patriarch wird das schon verstehen.«
»Nein! Er wird es
nicht
verstehen«, entgegnete sein Mentor. »Der Patriarch ist ein sehr wichtiger Mann. Er wird es
nicht
verstehen.«
»Wichtige Männer verstehen nicht?«
»Josua! Schweigen wäre in diesem Moment sehr hilfreich.«
Das Taxi fuhr im Schneckentempo Richtung Altstadt weiter. Als sie eine halbe Stunde später vor der Kathedrale eintrafen, wurden Jussefs größte Ängste wahr. Auf der Schwelle stand der Bischof, den Blick auf seine teure Armbanduhr geheftet. Als er die Missetäter entdeckte, wurde er rot im Gesicht. Sein Zorn richtete sich gegen Jussef. »Der Patriarch wartet! Warum haben Sie sich verspätet?«
»Der Verkehr«, erklärte Josua mit glücklichem Lächeln.
»Ist er das?«, fuhr der Bischof fort und ignorierte die absurde Bemerkung. Er hatte keinen Humor, was auf der vernünftigen Annahme beruhte, dass es in der Religion keinen Platz dafür gab.
Jussef nickte betrübt. Verschwunden war alle Hoffnung, seinen Chef in den nächsten dreißig Jahren jemals zu beeindrucken. Der Bischof packte Josua am Arm und beförderte den Spätankömmling möglichst rasch vorwärts. An der Tür zur Sakristei stand ein zweiter Bischof, der Privatsekretär des Patriarchen. Auch er war verärgert. Seine Eminenz sei spät dran, er habe noch eine weitere Verabredung. Er habe jedoch darauf bestanden, so lange zu bleiben, bis der Priesterzögling eingetroffen sei. Der persönliche Assistent hielt warnend eine Hand hoch.
»Nur er.«
In Jussefs
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