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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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festgelegt? Worin bestand also das Problem, wenn einer irrtümlich für seine Sünden büßte? Jeder macht mal einen Fehler. Menschen sind auch nur Menschen.
    Außerdem hätten die Anwesenden nicht nur ein Kreuz gesehen, sondern drei Kreuze, und an diesen Männer, die während ihrer qualvollen Reise in die Auslöschung vor Schmerz stöhnten und ächzten. Der Anblick dieser sterbenden Kriminellen wäre nicht nur von der ungebührlichen Menge, die sich um die relativ kleinen Kreuze versammelt hatte, sondern auch von den Fliegen und vom Blut getrübt worden. Der Gestank hätte vermutlich selbst den Geruchssinn des abgehärtetsten Schlachters beleidigt – denn die Verurteilten hätten bald jede Kontrolle über ihre Körperfunktionen verloren. Zweifellos dürften selbst ihre besten Freunde nicht
zu
nahe gestanden haben, und die Römer hätten sich nicht nur einen Lappen um den Kopf gebunden, um den Geruch fernzuhalten, sondern auch, um sich vor der heißen mittäglichen Sonne zu schützen.
    Was die Gekreuzigten angeht – wie sie zuckten, sich wanden, zappelten bei dem Versuch, sich zu strecken, um Luft zu bekommen –, so wäre es schwierig gewesen, viel zu erkennen. Vor allem, was den Mann am mittleren Kreuz betraf. Da er im Land geboren war, dürfte er eher klein und von dunkler Hautfarbe gewesen sein. Das heißt: normalerweise. Aber bei diesem Anlass wäre kaum mehr als ein blutverschmierter Körper zu sehen gewesen – bedenkt man, dass er ausgepeitscht worden war und eine Dornenkrone trug. Kein zarter junger Mann, nicht der echte Christus. Vielmehr ein muskulöser Zimmermann und Fischer. Dennoch hätten die Soldaten und Spieler gewettet, dass er wegen seiner zusätzlichen Wunden als Erster sterben würde. In seinem Fall wäre der Blutverlust so groß gewesen, dass wohl selbst seine Mutter ihn nicht erkannt hätte, vorausgesetzt, dass jüdische Frauen solche Veranstaltungen überhaupt besuchten, was unwahrscheinlich ist. Der Tod war Männersache, und keiner wollte, dass fremde Männer die eigene Frau anstarrten oder ihr in den Hintern kniffen, wenn man einer Kreuzigung beiwohnte. Das lenkte nur ab. So wie wenn man seine Frau bei einem Fußballspiel neben sich sitzen hatte. Frauen machten doch nur dumme Bemerkungen und störten, oder? Welches Bild, das die Kirche von der Kreuzigung Christi vermittelte, war also richtig?
    »Das ist zu blutrünstig, zu unwirklich!«, rief ein älterer italienischer, überaus rundlicher Kardinal. Er, den es beim Gedanken an Fasten schauderte – was, kein Tiramisu! –, schauderte jetzt beim Anblick von Blut. Als Kardinal trug er natürlich Rot, was bedeutete, dass er gelobt hatte, sein Leben der Kirche zu weihen. Doch das war nur symbolisch gemeint, oder? Und das rote Gewand war aus so schönem, teurem Taft, dass nur ein guter italienischer Schneider eine Robe daraus fertigen konnte, die das Leiden Christi symbolisierte. »Diesem modernen Maler geht es nur um den dramatischen Effekt, darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Mir gefällt das eben nicht.«
    Ein paar weitere Kardinäle murmelten Ähnliches. Die Kreuzigungsszene, gemalt von einem bekannten modernen spanischen Maler und geschenkt von Seiner Hoheit, dem spanischen König, während eines Besuchs im Vatikan, war einfach zu blutrünstig. Ja, sie war geradezu taktlos. Keine Frage, so manch moderner Papst, dessen einziges sichtbares Anzeichen eines Leidens darin bestand, dass er sich mühte, sein Gewicht zu halten, hätte dem beigepflichtet. Der Tod Christi sollte als Ideal gemalt werden, und dazu war eine gewisse Schönfärberei erforderlich. Kein Mensch wollte, dass eine ältere Dame beim Anblick von Urin, der an einem Kreuz herabtropfte, in Ohnmacht fiel. Vielmehr sollte die Betrachterin eine tiefe mütterliche Zuneigung empfinden, verbunden mit einem fast sinnlichen Element. (Der arme Junge, ich hätte ihm doch geholfen, wenn ich dabei gewesen wäre!)
    »Und die Jungfrau Maria! Die Frau sieht ja aus wie ein Marktweib.«
    Wieder erhob sich zustimmendes Gemurmel unter den Kardinälen. Aber wie hatte die Gottesmutter tatsächlich ausgesehen? So schön, dass die Menge sich von den Männern an den Kreuzen abgewandt hätte, um sie anzustarren? Oder – diesen Gedanken löschen – eher wie eine vorzeitig gealterte Bäuerin? Eine Frau, die das Peinliche der Hässlichkeit kannte, eine Frau, die es gewohnt war, übersehen zu werden? Ein leidendes Gesicht in der Menge?
    »Eure Heiligkeit, wie hat die Mutter Gottes ausgesehen?«
    Der

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