Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
sich.
»Hat jemand Sie gesehen?«
»Nein, Heiliger Vater.«
»Gut. Bitte, lassen Sie uns allein!«
Pater Gabriele verließ die Kapelle; der Papst bedeutete seinen beiden Besuchern, Platz zu nehmen. Sie zogen ihre Kapuzen nach hinten. Erst sah der Pontifex das lächelnde Gesicht Josuas, dann das sehr nervöse Jussefs. Kaum schaute Letzterer Johannes XXVI . an, so war er von Ehrfurcht erfüllt. Moses, als er den brennenden Busch in der Wüste erblickte, war kaum weniger beeindruckt gewesen.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen,
Pater Jussef
.« Der Papst schüttelte ihm die Hand; er sprach recht gut Arabisch, denn während seiner jahrelangen Inhaftierung in einem Konzentrationslager hatte er Zeit gehabt, Sprachen zu lernen. Jussef verschlug es vollends die Sprache. Dies war der Stellvertreter Gottes auf Erden – und er redete mit ihm und kannte ihn mit Namen!
»Guten Tag, Josua. Nimm doch Platz!«
Sie saßen schweigend da und dachten das Gleiche. Jenseits aller Zeit – und aller Möglichkeiten – hatten die drei sich hier versammelt, an diesem Ort. Ein entscheidender Moment in ihrem Leben – und in der Geschichte der Menschheit. Aber schließlich beruhte religiöse Weisheit darauf, dass es keine Zufälle gab – Gott sah alles voraus.
»Pater Jussef, ich möchte, dass Sie sich um Josua kümmern und als sein Mentor fungieren.«
Jussef vermochte nur zu nicken. Hätte er sich bewegen können, er hätte sich gekniffen. Aber nicht einmal das brachte er fertig, denn sein Blick war auf den Papst geheftet. Das war doch ein Traum, oder? Der Flug von Alexandria nach Rom. Der klammheimliche Zutritt zum Vatikan. Die Unterredung. Er hatte das Gefühl, dass sich sein Inneres – seine tiefsten Wünsche – außerhalb von ihm befinde und alles Äußere nicht mehr existiere.
»Ich möchte mit Josua gern unter vier Augen sprechen.«
Jussef nickte. Die Anweisung war schwer zu erfüllen, da er gewissermaßen am Stuhl klebte, so außergewöhnlich war dieses Zusammentreffen. Nach ein paar mimischen Verrenkungen gelang es ihm, seinem Körper zu befehlen, dass er seinem Geist gehorche. Unsicheren Schrittes verließ er die Kapelle. Der Präfekt wartete im Gang; sonst war niemand dort.
»Endlich haben wir uns getroffen, Josua.«
Josua lächelte weiter. Ihre Reise war ein Abenteuer gewesen. Natürlich hatte Jussef dauernd geklagt. Angesichts seiner Nervosität hätte man meinen können, er würde die Maschine selbst steuern, aber sie beide saßen ja auch zum ersten Mal in einem Flugzeug. Es war schon merkwürdig. Doch Gott hatte dafür gesorgt, dass es in der Luft blieb.
»Hattest du einen Traum?«
»Ja.« Josua war dieser Mann, Johannes XXVI ., im Traum erschienen. Außerdem hatte er weitere Personen und Ereignisse gesehen, von denen einige klar und andere nur undeutlich zu erkennen waren.
»Auch ich hatte einen Traum«, sagte der Papst. Leise sagte er: »Die Dinge steuern auf ein Ende zu, Josua. Ich werde dir von den Silberlingen des Judas erzählen.«
Draußen sah Jussef auf die Uhr und ärgerte sich. Und ärgerte sich und sah auf die Uhr. Mehr als eine Stunde war vergangen, in der entscheidende Informationen weitergegeben wurden.
»Die Entscheidung liegt bei dir.« Johannes XXVI . lehnte sich zurück; er sprach leise, denn er war sich im Klaren darüber, dass sogar seine Privatkapelle abgehört wurde. »Bei allen Dingen unter dem Himmel gibt es die Freiheit, sich zu entscheiden. Das Böse bedeutet die Begrenzung der Freiheit, so wie das Gute die Erweiterung der Freiheit bedeutet. Und diese Freiheit liegt …« Er wies auf sein Herz. »… hier drinnen. Die besonders wertvolle Perle liegt im Inneren. Und alle Männer und Frauen haben die gleiche Chance, sie zu finden. Es ist
ihre
Entscheidung.«
Josua lehnte sich ebenfalls zurück und dachte über das Gesagte nach. Es gab so vieles, wovon der Papst gesprochen hatte und das er nur ansatzweise verstand, denn der Pontifex hatte so oft in Symbolen, fast in Rätseln gesprochen.
»Und was geschieht mit mir?«
»Beginne deine Reise, wann du willst. Die Reise des Leidens. Andere werden dir helfen.«
Der Papst erhob sich.
»Und Pater Jussef?«
»Er wird dein Führer, dein Mentor sein, aber nur eine Zeitlang. Die letzten Etappen auf dem Berg musst du allein bewältigen.«
»Werden wir uns wiedersehen?«
Der Papst schüttelte betrübt den Kopf und umarmte Josua zum Abschied. Josua blieb auf dem Weg zur Kapellentür stehen. Er wandte sich um. »Was wird am
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