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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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Leute.« Viele der »Großen und Guten« hatten im Laufe der Jahrhunderte das Gleiche zu Christus gesagt, als er ihnen in der Stunde ihres Todes erschien. Vielleicht hatte er trocken gelächelt und gesagt: »Aber du hast vergessen, zu meiner Kreuzigung zu kommen.«
    An diesem Nachmittag absolvierte Johannes  XXVI . alle Termine, die die Mitarbeiter des Vatikans für ihn gemacht hatten, dazu noch die Fototermine. Ein paar Jahre zuvor hatte er jedoch einige eigene Neuerungen ins Drehbuch geschrieben. So würde die Herzogin von San Marco bald zu ihrem großen Kummer feststellen, dass nicht nur ihr Kind vom Pontifex gesegnet wurde. Stattdessen würde sie neben drei armen Römerinnen stehen – darunter eine ehemalige Prostituierte –, die ihre Kinder im Arm hielten.
    »Heiliger Vater, als Nächstes kommt der Staatspräsident Brasiliens.«
    Und der Staatspräsident Brasiliens würde zu seinem Befremden feststellen, dass er den Papst nicht allein traf. Stattdessen musste er, als er dem Mann in Weiß die Hand schüttelte, neben dem Staatsführer eines der kleinsten und unbedeutendsten Länder der Erde stehen. Natürlich missfiel diese Änderung im Protokoll so manchem Präsidenten und Staatenlenker, doch man konnte nichts dagegen tun. Die Menschen erwarteten, dass der Papst nach ihrer Pfeife tanzte, doch sie tanzten nach seiner, und die Musik war demokratisch. Das war eine der Veränderungen, die der chinesische Neuling eingeführt hatte. Es gab noch andere. So machte der Pontifex am frühen Abend häufig unangekündigte Besuche in Gefängnissen, Hospizen und Altersheimen. Diese Menschen konnten nicht zu ihm kommen, also kam er zu ihnen. Das war zwar nicht die italienische Art, aber, wie Johannes  XXVI . gegenüber seinen Beamten betonte, die richtige.
    Innerhalb des Systems sprachen sich natürlich viele dagegen aus. Leitende Mitarbeiter des Vatikans, erfahren in der Handhabung der Machthebel, hatten zunächst noch darum gekämpft, die Veränderungen zu verhindern. Doch sie hatten keinen Erfolg damit. Der Papst war durchsetzungsstärker, als sie glaubten, und so fanden sie sich oft in einem Flugzeug wieder, um Missionsarbeit im Kongo oder in Indonesien zu leisten. Das war wirklich ein Kreuz, wie sie bald feststellten. Denn zur Kreuzigung gehörte auch, dass man Dinge verlor, die Menschen am meisten schätzten: Besitztümer, Status, den Glauben, anderen in spiritueller Hinsicht überlegen zu sein, und das Bewusstsein, im Zentrum zu stehen. So mancher ehemalige Amtsträger im Vatikan sah sich gezwungen, sein Kreuz zu betrachten, während er in einer Lehmhütte in Afrika saß und Menschen das Evangelium nahebrachte, die er weder verstand noch (in Wahrheit) mochte. Dabei dämmerte diesen Männern ein wenig von der wahren Bedeutung des Evangeliums – dass es Leid einschloss.
    »Eure Heiligkeit, es ist Zeit, die Messe zu feiern.«
    So ging es immer weiter, die tägliche Routine des Papstes, der dabei ständig von Menschen umgeben war. Bis zum späten Abend, wenn das Kirchenoberhaupt sich in sein Arbeitszimmer zurückzog und die meisten Menschen zu Bett gingen. Doch an diesem besonderen Abend im August musste Johannes  XXVI ., obwohl er müde war, noch einen letzten Termin absolvieren. Er stand auf, verließ seine Privatbibliothek und ging über einen Gang zu einer kleinen Kapelle. Seine Amtsvorgänger wären dabei von Schweizergarden begleitet worden – insbesondere zu einer so späten Stunde. Mehr noch: Bewaffnete Wachen hätten sämtliche Flure geschützt, die zu den Wohnräumen im Vatikan führten. Doch Papst Johannes  XXVI . hatte die meisten Gardisten von ihren Pflichten entbunden, da er kaum Schutz benötigte. Und an diesem Abend hatte er darum gebeten, dass niemand anwesend sei. Überhaupt niemand.
    Der Papst betrat die Kapelle und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Altar. Minuten verstrichen, aber er war nicht ungeduldig. Der Präfekt wollte seine Gäste via einen Geheimgang unter dem Turm der Winde zum Petersdom bringen. Von dort würden sie weiter zur Kapelle gehen. Auf diese Weise wäre das Treffen vor neugierigen Blicken geschützt, denn er wollte nicht, dass irgendwelche Amtsträger – nicht einmal seine Kardinäle – davon erfuhren. Johannes  XXVI . wartete. Schließlich vernahm er ein Geräusch; er blickte auf. Der Präfekt des Geheimarchivs stand auf der Schwelle. Hinter ihm waren zwei Männer zu sehen, in langen braunen Kutten, die Gesichter von Kapuzen verdeckt. Der Papst winkte die drei zu

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