Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Rings um sie herum Sand, nichts als Sand, und es gab nichts zu tun, als zu beten und die Messe zu besuchen.
Wie unaussprechlich langweilig. Man hatte hier einfach zu viel Zeit, um über Gott nachzudenken! Es war ein Fall von religiösem Overkill, ganz bestimmt. Und ihre Gastgeber waren stinklangweilig. Die Mönche im Kloster (insgesamt fast zwanzig) waren höflich, aber an den Neuankömmlingen völlig desinteressiert. Denn: Wenn der Patriarch ihnen einen Priester und einen Priesterzögling schicken wollte, dann war das zwar sein gutes Recht, aber sie selbst ging das gar nichts an. Sie mussten ihre täglichen Rituale verrichten und mit den Horden von Besuchern fertig werden, die täglich aus Alexandria zur Besichtigung des ältesten Klosters der Welt, gegründet im 4. Jahrhundert, eintrafen. Sie hatten weder die Zeit noch die Neigung, mit Jussef zu plaudern, und offensichtlich auch keine Ahnung von dem Begriff Klatsch. Deshalb lasteten die Tage und Nächte schwer auf Pater Jussef. Er sehnte sich nach der Rückkehr zur Normalität; er wollte nach Hause.
Nach Hause!
Für Josua war alles in Ordnung. Er war’s zufrieden, im Klostergarten zu arbeiten, wo er den Großteil des Tages verbrachte. Jussef aber hielt sich auf Distanz. Er war Priester und rangierte dadurch, seines Erachtens, höher als die Mönche (nicht, dass er das zeigen wollte). Und außerdem – hätten die ihm angeboten, seinen Garten in Alexandria zu pflegen? Er bezweifelte es. Außerdem verspürte er nicht die geringste Lust, sich mit den Touristen zu unterhalten, die das Kloster besuchten. Er mied sie wie die Pest, denn sie waren ja nicht gekommen, um
seine
Gebäude zu besichtigen.
Und so war Jussef diesen ersten Monat größtenteils auf dem Grundstück des Klosters herumspaziert und hatte Gott sein Leid geklagt. Aber sogar das war langweilig geworden (für die andere Seite sicher auch).
»Es hat keinen Sinn.« Jussef trat mit seiner Ledersandale gegen die Steinmauer. »Dieser Ort ist schrecklich.«
Normalerweise hätte Josua etwas Humoriges erwidert, um Jussef aufzuheitern. Doch heute Abend war ihm unwohl, und die geheimnisvolle Krankheit, die ihn während der ersten Nacht im Kloster befallen hatte, war schlimmer geworden. Ein Gefühl der Kälte hatte sich ihm auf die Brust gelegt und ihn zum Husten gebracht. Abgesehen davon, gefiel es Josua hier. Es gab keine Eile, und es gab keine Uhren – noch etwas, was Jussef vermutlich erschreckte, der penibel auf die Zeit achtete, wenn er unter Stress stand. Er zählte jede Minute. Oder zumindest hatte er das getan, bis er auf dem Klostergelände seine Uhr verlor. Glücklicher- oder unglücklicherweise? Göttliche Vorsehung oder Zufall?
»Der Patriarch kann uns doch nicht zwingen zu bleiben. Morgen gehe ich. Die Mönche können sich um dich kümmern. Ich weiß, ich habe dem Papst versprochen, dass ich dein Mentor sein werde, aber das hier ist zu viel. Das ist Verfall!«
Josua traute sich nicht zu antworten; sein Lehrer würde dem Patriarchen niemals den Gehorsam verweigern. Wenn er’s täte, könnte er an einen noch schlimmeren Ort geschickt werden. Jussef seufzte und kratzte sich den ungekämmten Vollbart wie meistens, wenn er niedergeschlagen war. Was Pater Hassan wohl gerade in Alexandria machte? Überlebte die Gemeinde ohne ihn, Jussef? Hatten seine Schäfchen überhaupt bemerkt, dass er nicht mehr da war?
»Hat der Papst irgendetwas gesagt, was du mir sagen darfst?«
»Nichts.«
»Aber er hat doch gesagt, dass du hierherkommen würdest, oder? Dass er dich hierherschicken würde?«
»Ja.«
»Du kannst es mir ruhig sagen, Josua. Es ist nur eine Kleinigkeit: Hat der Papst dir eine Botschaft mitgegeben, die du dem Patriarchen übermitteln sollst? Etwas so Geheimes, dass niemand anderer in Alexandria davon erfahren darf?«
Josua zögerte. Jussef schnüffelte herum (was verständlich war, denn er hatte die Nase eines Kamels), doch Josua hatte dem Papst versprochen, niemandem von ihrem Gespräch zu erzählen. Aber diese Kleinigkeit konnte er doch sicher bestätigen – um die unablässigen Fragen seines Lehrers zu stoppen.
»Er hat mir keine Botschaft mitgegeben.«
»Nein? Nichts, was du dem Patriarchen erzählen sollst?«
»Nichts. Abgesehen von der Tatsache, dass ich hierhergeschickt würde.«
»Oje.« Pater Jussef war enttäuscht. Inzwischen hatte er sich die Verschwörungstheorie zurechtgelegt, wonach der Papst und der Patriarch Geheimverhandlungen zur Wiedervereinigung der katholischen
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