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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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dieser Ausländer missachtete die ungeschriebenen – und verborgenen – Gesetze der Kirche. Bringe nie das Boot des heiligen Petrus zum Schaukeln – nicht, wenn sich so viel kostbares Geschirr darauf befindet.
    »Heiliger Vater!«
    »Der Vatikan wird die Geschenke, die er erhalten hat, und seine Kunstwerke verkaufen. Tun Sie das Gleiche in Ihren Ländern!«
    »Aber wer soll die Sachen denn kaufen?«, rief der Kardinal aus, der die Vatikanischen Museen leitete. Seine Seelenpein kam der eines Mannes gleich, der sein Kind opfert (das Kind, das er im Geheimen hatte).
    »Es gibt nach wie vor Reiche, die kaufen.«
    »Wir können doch nicht alles verschenken!«, stieß ein spanischer Kardinal mit voller Lautstärke aus. »Wann soll das denn endlich aufhören?«
    »Wenn wir nichts mehr übrig haben.«
    Ein Tumult brach aus. Die Kirche hatte – entgegen ihrer Lehre – zweitausend Jahre lang Reichtümer angehäuft, und jetzt wurde verlangt, dass sie alles verschenken sollte. Die Wut der Pharisäer, als Christus die Zerstörung des Tempels von Jerusalem voraussagte, war nichts im Vergleich mit diesem Aufschrei der Empörung. Normalerweise milde gestimmte Kardinäle sprangen mit vor Zorn verzerrten Gesichtszügen von ihren Miniaturthronen. Ihre Miene sprach Bände: Die Sachen gehören uns! Wir brauchen sie! Für unseren Status, unser Wohlergehen, unsere Sicherheit.
    Johannes  XXVI . wunderte sich überhaupt nicht. So wie das Nichtvorhandensein von Besitzgier ein Zeichen für spirituelles Wachstum war, so enthüllte ihr Vorhandensein Dinge, die im Herzen verborgen waren. Nicht, dass seine Kardinäle böse waren, sie waren nur in ihrer Religiosität selbstgefällig geworden. Sie liebten es, sich fein zu kleiden, sie liebten die Achtung, die ihnen entgegengebracht wurde, sie liebten ihren hohen gesellschaftlichen Status. Mit ihrem enormen Ego verkündeten sie wie die Pharisäer von damals: »Ehrt mich, denn ich bin ein heiliger Mann!« Und diese äußeren Zeichen des Prunks wurden ihnen nun genommen. Der Papst betrachtete die Szene des Entsetzens und heftete seinen Blick auf die purpurroten Roben der Kardinäle. Sie hatten versprochen, ihr Leben für die Kirche zu geben. Und das würden sie tun, und zwar sehr viel schneller, als sie glaubten.
    »Das geht nun doch zu weit!«
    »Das sind unschätzbare Kunstwerke!«
    »Der blanke Wahnsinn! Wir führen unseren Bankrott herbei!«
    Nicht alle waren aufgestanden; der Pontifex hatte nach wie vor Unterstützer. Rund zwanzig Kardinäle blieben sitzen. Diese Männer hatten ihr Leben lang Dinge weggegeben – wie die Kirche es lehrte –, warum sollten sie jetzt beunruhigt sein? Die Zwischenrufe setzten sich fort, wurden immer sarkastischer und ausgefallener. Johannes  XXVI . hob die Hand. Es dauerte eine Weile, bis der Aufruhr sich legte, während die Schweizergardisten sich ängstlich umschauten. Möglicherweise mussten sie einen Aufstand gegen den Papst niederschlagen, doch weil sie seit fünfhundert Jahren nicht mehr gekämpft hatten, waren sie ein wenig aus der Übung.
    »Ich befehle das in meiner Funktion als Papst.«
    Nach diesem schicksalhaften Satz verstummten die Rufe: Er hatte enorme Folgen. Der Papst war das Oberhaupt der Kirche – und er verlangte, dass sie ihm gehorchten. Bei ihrer Ernennung zu Kardinälen hatten sie dies geschworen. Was also tun? An der Heiligkeit des Papstes zweifelte kaum jemand. Doch was er da eben gesagt hatte, konnte die Kirche vernichten. Sicher, es entsprach den Aussagen Christi, aber es handelte sich um einfache Lehren, die zu einer anderen Zeit, in einer entlegenen Provinz des Römischen Reiches entstanden. Sie waren nicht für die heutige Zeit bestimmt – nicht dafür geeignet, oder? Der Sohn Gottes hätte das verstanden; er wusste um den Wert des Geldes. Wie würden sie aus der Sache herauskommen? Die andersdenkenden Kardinäle konnten dem Papst nicht widersprechen – jedenfalls nicht öffentlich. Na ja, noch nicht. Also sollte man lieber abwarten. Wer könnte helfen? Viele schauten hinüber zu Kardinal Aristo aus Bologna, einem Wendehals, wenn der Anlass es erforderte. Er hatte das Gemälde der Kreuzigung, das der König von Spanien dem Papst geschenkt hatte, erst verspottet und dann in den höchsten Tönen gelobt. Weil er ungemein erfahren war, konnte er Stimmungen, die auf einer Versammlung herrschten, besser als jeder andere erspüren. Nach ein paar Blicken in die Runde und kurzem Augenzwinkern erhob er sich. Endlich nahm ein

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