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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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Italiener es mit dem Chinesen auf – auch wenn dieser als Heiliger galt. Er würde ihm den Weg aufzeigen, den vatikanischen Weg.
    »Heiligkeit, Ihr fordert, dass die Kirche sich all ihrer Reichtümer entledigen soll?«
    »Dem Großteil davon.«
    »Das ist sehr löblich. Wirklich außerordentlich achtbar.« Kardinal Aristo wandte sich an die anderen Kardinäle und breitete theatralisch die Arme aus. »Wir müssen den Armen helfen.« Alle nickten. Dann warteten seine Anhänger auf das wichtigste Wort in der Geschichte der Kirche: » ABER wir sollten nicht übereilt handeln! Die Hierarchie der Kirche besteht aus dem Papst, den Kardinälen und den Bischöfen, deshalb ist es nur recht und billig, dass Ihr Euren Entschluss im Beisein aller verkündet. Ein Konklave muss einberufen werden. Besser noch: Ihr solltet ein großes Konzil einberufen, damit die wichtigsten Konfessionen über eine gemeinsame Antwort auf diese Krise debattieren können und darüber, wie den Armen am besten zu helfen ist.« Der Kardinal grinste. Die Chancen, die wichtigsten Konfessionen dazu zu bewegen, sich an einem Ort zu versammeln, standen ungünstiger als der Beitritt Satans zur Kirche.
    »Ja! Ja!« Der Ruf wurde aufgenommen.
    Der Papst kannte sich hervorragend aus in vatikanischen Verzögerungstaktiken, doch auch Kardinal Aristo beherrschte sie meisterhaft. Als würdiger Nachfolger Machiavellis war er von einer Eloquenz und Kompetenz, die fast ausreichte, Christus dazu zu überreden, sein zweites Kommen zu verschieben. Der Kardinal war der Inbegriff des vatikanischen Systems, sein geschliffenstes Produkt, Ergebnis einer zweitausendjährigen Geschichte voller Tatsachenverdrehungen und Verzögerungsstrategien.
    Johannes  XXVI . erhob sich von seinem Stuhl. »Ich verstehe, was Sie meinen, ABER uns läuft die Zeit davon. Darum sollten wir sofort beginnen.«
    Und damit verließ er den Raum; die Audienz war zu Ende. Die Kardinäle sahen sich an, das Gemurmel erhob sich. Zurück in der Sicherheit seiner Bibliothek, las Johannes  XXVI . noch einmal die Worte, über die er am Morgen meditiert hatte.
     
    … und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd …
     
    Er seufzte. Wie sollte die Kirche in den Himmel kommen, wenn sie sich nicht ihres Reichtums entledigte? Hielten die Kardinäle Gott für einen Schwachsinnigen?

8
    … wenn du die Einsicht suchst wie Silber,

nach ihr forschst wie nach Schätzen …
    Sprüche 2,3
     
    Z wei Gestalten standen auf der Mauer und blickten, ihre Mäntel fest um sich geschlungen, in den Nachthimmel. Sie hatten gerade eben im entlegenen Kloster des heiligen Antonius tief in der ägyptischen Wüste die letzte Messe des Tages besucht. Alsbald würden sie in ihre Mönchszellen zurückkehren, jeder allein mit seinen Gedanken. Im Fall von Pater Jussef würden es keine glücklichen Gedanken sein – denn er war kein glücklicher Mensch. Ein Monat war vergangen, seit er hierhergekommen war, und er bedauerte jeden Augenblick.
Jeden
Augenblick.
    Was für ein Alptraum! Die Autofahrt hatte Stunden gedauert. Aber zumindest saß der Chauffeur des Patriarchen am Steuer, was ein wenig Trost bot, außerdem war der Wagen recht komfortabel.
    Während der Fahrt war Jussef hinter die offenbar nächste Stufe des Geheimplans zwischen dem Patriarchen und dem Papst gekommen. Der Plan war teuflisch schlau: Josua wurde in die Wüste geschickt, weil der Patriarch nicht wollte, dass er irgendwem in Alexandria von der geheimen Reise zum Papst erzählte. Und wieder einmal wurde der arme Pater Jussef (er sprach oft in der dritten Person von sich) losgeschickt, um Josua im Auge zu behalten. Auf halbem Weg war ihm ein fürchterlicher Gedanke gekommen.
    »Wann, hat der Patriarch gesagt, können wir zurück?«
    »Dann, wenn er es uns sagt.«
    »Aber das kann bedeuten, dass wir für immer hierbleiben müssen.«
    »Mag sein.«
    Sie hatten Jussef zurückhalten müssen, damit er sich, trotz der hohen Geschwindigkeit, nicht aus dem Wagen stürzte. Jetzt, während er und Josua auf der Mauer standen, die das Klostergelände umgab, hallten ihm die verhängnisvollen Worte im Kopf. So klar und deutlich wie die Sterne am Himmel. Sie waren einen Monat zuvor geäußert worden.
    Ein Monat. Eine Art Todesstrafe.
    Kein Wort, keine Silbe vom Patriarchen. Er hatte sie ins Exil geschickt – an diesen elenden Ort, mitten im Nichts, am Fuß der Berge am Roten Meer.

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