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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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Indien gehortet wurde, sondern um alle Nahrungsmittel. Angst wich der Panik, und diese führte zu Ausschreitungen. Es wollte ja niemand verhungern – das war das Schicksal des anderen Mannes, der anderen Frau, des anderen Kindes. Schließlich wichen die Aufstände Bürgerkriegen – die eine Stadt bekämpfte die andere, die eine Metropole die andere, die eine Provinz die andere. Dabei gab es genug Nahrungsmittel, wenn auch nur für die habgierigen Männer und globalen Konzerne, die den Getreidemarkt manipuliert und den Preis nach oben getrieben hatten. Sie wiesen jede Verantwortung für die Katastrophe zurück, während sie an ihren Swimmingpools in Florida saßen oder mit ihren Freundinnen auf ihren Yachten in der Karibik relaxten. Ich – böse? Unmöglich. Die tendenziöse Logik ihres Denkens bewies ihnen das Gegenteil. Zu viel Geld zu verdienen war moralisch gut;
Gier
kam gleich nach
Göttlichkeit
.
    Erst als sich die Hungersnot nach China – und dann nach Russland – ausbreitete, wurde der Rest der Welt aufmerksam. Natürlich hätte so etwas nicht passieren dürfen. Wären die dortigen politischen Systeme weniger korrupt gewesen, hätten die Lebensmittelvertriebsnetze mit der Lage fertig werden können. Was als kleineres logistisches Problem begann, weitete sich binnen Tagen zu einer nationalen Katastrophe aus. Die Bauern in beiden Ländern hielten ihre Vorräte zurück, und als Soldaten losgeschickt wurden, damit sie unter Gewaltandrohung Lebensmittel requirierten, kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen und vielen Toten. Dadurch verschlechterte sich die Situation so sehr, dass die Soldaten schon bald um ihr Leben kämpften.
    Die Armen litten; es war der Wille Gottes. Doch wie stand es mit den Reichen? Sie – und die bürokratische Elite in China und Russland – hatten sich stets für immun gegen die Launen des Geschicks gehalten. Und zunächst waren sie es ja auch. Nachdem sie in ihren Häusern und auf ihren Grundstücken große Mengen an Nahrungsmitteln eingelagert hatten, beobachteten sie vor ihren Toren das Sterben von so manchem Lazarus. (Wenn aber ein paar hundert Millionen Menschen starben, würden mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Jemand musste den Kürzeren ziehen.) Allerdings hatten die Reichen die Auswirkungen einer lang anhaltenden Hungersnot nicht richtig eingeschätzt. Als
ihnen
die Nahrungsmittelvorräte ausgingen, wirkte eine andere Dynamik: Der Kapitalismus schaltete irrsinnig schnell den Rückwärtsgang ein. Denn die, die in ihren Garagen und Kellern Mengen von Autos oder Wein gehortet hatten, stellten bald fest, dass sie das alles nicht einmal gegen ein paar Säcke Reis eintauschen konnten. Und die, die ihren Reichtum in Juwelen und Krempel angelegt hatten, merkten, dass es nichts brachte, diese Sachen feilzubieten, um Fleisch zu kaufen. Und schließlich wurde den Kunstliebhabern deutlich, dass es ihnen beim Kampf um Brot wenig half, mit der leeren Leinwand des neuesten künstlerischen Genies die Straßen entlangzutorkeln. Die Reichen wurden arm, und wohlhabend wurden jene, die das wertvollste Anlagegut überhaupt besaßen – Lebensmittel.
    »Wir können nicht noch mehr geben.«
    Johannes  XXVI . saß in einem opulenten Saal im Vatikan und schaute auf eine Abordnung von siebzig Kardinälen aus der ganzen Welt. Sie waren unruhig und missgelaunt. Unter erheblichem Gekeuche und Geächze hatte die Kirche ihr nicht absolut notwendiges Eigentum sowie ihr überschüssiges Gold und Silber abgestoßen. Mit dem Erlös war Getreide auf den Weltmarkt geworfen und anschließend zu den Sterbenden in den indischen Slums und den ärmeren Vierteln im Fernen Osten transportiert worden. Das hatte zwar geholfen – daran bestand kein Zweifel –, die Hungersnot jedoch nur kurz gelindert. Andere Kirchen und Konfessionen hatten ebenfalls ihr Scherflein beigetragen, doch das Problem war riesig und wurde größer. Den Menschen gingen das Brot und die Fische aus.
    »Wir haben gegeben, was wir konnten. Wir
haben
nicht mehr.«
    Der chinesische Papst musterte die Kirchenfürsten in ihrem Kummer. Er wusste, was er ihnen sagen sollte, was sie hören wollten, worum sie ihn anflehten. Um das Wort »Halt!«
    Er räusperte sich und verkündete: »Es muss noch mehr verkauft werden. Sehr viel mehr.«
    Ein tiefes Luftholen war zu hören. Das Einströmen des Heiligen Geistes war nichts im Vergleich damit. Einige Kardinäle sprangen auf, vergaßen, wo sie waren. Andere schlossen entsetzt die Augen. Oje,

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