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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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es eine Antwort?

9
    »… weil sie sehen und doch nichts sehen …«
    Matthäus 13,13
     
    W as bist du nur für ein Dummkopf!«, tadelte Jussef seinen Schüler. »Man beginnt die Lektüre der Bibel mit dem 1. Buch Mose. Das liegt doch auf der Hand. Warum hast du das dem Mönch denn nicht gesagt?«
    »Sind Sie sicher?«
    »Äh …« Pater Jussef zögerte. Er kratzte sich den Bart. Er war sich nicht sicher; das war das Problem. Aber warum war er sich nicht sicher? Weil er über die Frage noch nie nachgedacht hatte. Er hatte einfach angenommen, dass man bei der Bibel, so wie bei jedem anderen Buch, mit der ersten Seite beginnt. Und der Anfang der Bibel war das 1. Buch Mose. Doch genau betrachtet, steckte da irgendeinen Trick dahinter. Theodore wollte ihm offensichtlich beweisen, dass er sich in der Heiligen Schrift besonders gut auskannte. Dieser Schlaumeier. »Nein, warte! Sage ihm morgen, dass die Antwort lautet: das erste Buch des Neuen Testaments, das Matthäus-Evangelium.«
    »Also gut.«
    In dieser Nacht fand Josua kaum Schlaf. Er blieb zutiefst unsicher. Hatte Jussef vielleicht recht – und warum? Die Bibel war kein gewöhnliches Buch und konnte nicht wie jedes andere gelesen werden. Aber es musste doch einen
Schlüssel
zur Bibel geben, einen Weg, wie man hinter ihre Geheimnisse kam. Hastig wählte er aufs Geratewohl mehrere Stellen und stellte abermals erschöpft fest, dass er Gott um Hilfe bitten musste. Doch er bekam keine Antwort; Gott schwieg. Er war offenbar eingeschlafen und sprach nicht mehr mit den Menschen. Vielleicht war das ja die Lösung. Die Bibel hatte eben keinen Anfang und kein Ende. Man tauchte einfach hinein – je nachdem, was für ein besonderes Problem man hatte –, und irgendwie »offenbarte« sich dann der Text.
    Kurz vor ein Uhr morgens klopfte es wieder an seiner Zellentür; der junge Mönch war gekommen, um ihn abzuholen. Josua ging zur Tür und sah noch müder und zerzauster aus als in der vorhergehenden Nacht.
    »Bruder Theodore bittet um die Antwort auf seine Frage.«
    Josua zögerte. Sollte er antworten, was Jussef ihm gesagt hatte? Aber war dessen Antwort richtig? Irgendwie fand Josua das nicht. »Ich weiß sie noch nicht«, murmelte er.
    »Warte hier!«
    Der Mönch ging und kam fünf Minuten später zurück. »Er wird dich heute nicht empfangen. Meditiere weiter!«
    Beschämt schloss Josua die Tür zu seiner Mönchszelle. Was für ein Trottel er doch war! Er hätte dem Mönch sagen sollen, was Jussef gesagt hatte. Er hatte wieder einmal versagt. Keine Frage, er war für spirituelle Anleitungen nicht geeignet. Er war wirklich ein Dummkopf.
    Nach der Morgenmesse um zwei Uhr in der Früh (die Jussef nie besuchte) legte sich Josua schlafen. Um sechs stand er wieder auf. Er ließ das Frühstück aus, da er seinem Mentor aus dem Weg gehen wollte. Er lief zur Getreidekammer des Klosters und stieg einige Stufen zum Flachdach hinauf. Als er die völlig kahlen Berge am Roten Meer sah, die sich hinter dem Kloster erhoben, beschlich ihn ein Gefühl der Verzweiflung. Offensichtlich hatte der Papst geglaubt, dass er, Josua, ihnen helfen könne, doch der Heilige Vater hatte sich ganz gewaltig geirrt. Josua war bloß ein unwissender Mensch, einer, der kaum lesen konnte. Warum hatte er also je daran gedacht, Priester zu werden?
    Josua ging zu einer schattigen Ecke auf dem Dach, ließ sich an eine niedrige Mauer sinken und überlegte. Er war knapp dreizehn gewesen, als ihm die Idee irgendwie in den Sinn kam – er hatte nicht bewusst darüber nachgedacht. Er hatte Menschen immer helfen wollen; ihnen in ihrem Leid beistehen. Aber wie konnte ein Priester das fertigbringen? Als Jugendlicher war Josua nie so richtig dahintergekommen (war es immer noch nicht), aber zumindest konnten Priester, fand er, vermitteln, dass das Leben einen gewissen Sinn hatte. Dass das Leben nicht nur eine schreckliche Mischung aus Lebensmittelknappheit, miserabler Unterkunft, Korruption sowie Lug und Trug war – so wie der Alltag in den Armenvierteln von Alexandria, wie er ihn selbst erlebt hatte. Und er hatte auch geglaubt, dass er noch etwas anderes entdecken würde, wenn er den Priesterberuf ergriff. Und zwar? Die Wahrheit. Aber hatte die Wahrheit jemals existiert? Was war sie überhaupt?
    Er kratzte sich am Bein. Stechmücken mussten sehr fromm sein, es gab jede Menge davon im Kloster. Wie auch immer: Mit dreizehn hatte er beschlossen, Priester zu werden, aber so wie es einem mit den meisten Entschlüssen

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