Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
führte. Aber das Wasser, das die Inseln trennte, war kein natürliches Wasser – es war übernatürlich.
Nikodemus entgegnete ihm: Wie kann, der schon alt ist, geboren werden. Er kann doch nicht in den Schoß zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden.
Josua gewahrte die Antwort. Ein Mensch musste spirituell wiedergeboren werden, um in die geistige Welt eintreten zu können. Das innere Bild änderte sich. Nun sah er Brücken, die drei Welten verbanden – daliegend wie drei Inseln. Brücken, die über Wasser führten. Ein spirituelles und, in der Ferne, ein göttliches Wasser. Diese Vorstellungsbilder standen für verschiedene Existenzweisen.
Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu seinen Jüngern: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
Das lag für Josua auf der Hand. Natürlich war es völlig ausgeschlossen, die dritte Insel – das göttliche Reich – zu erreichen, wenn man sein ganzes Hab und Gut mitschleppte. Der Mensch würde in den Fluten ertrinken, die Entfernung war riesig, vielfach größer als das Universum.
Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.
Ein Kamel hatte einen Höcker. So wie ein Reicher seine Gier. Wenn ein Reicher seine Habsucht aufgab, konnte er hoffen, ins Reich Gottes zu kommen. Das Nadelöhr würde sich so weit öffnen, dass er hineingelassen wurde.
»Ich sterbe.« Josua sprach die Worte aus, doch es war ihm gleich. Er war selig; seine Qualen waren ein Nichts. Er kam seiner Empfängnis näher, näherte sich dem Öhr der spirituellen Nadel.
Jussef wachte auf. Er hatte auf dem Stuhl geschlummert, die gemurmelten Worte hatten ihn geweckt. Er ergriff Josuas Hand; sie war nicht mehr warm. Die verzerrten Gesichtszüge waren verschwunden, aber die Haut war weiß; kein Arzt würde da noch helfen können. Traurigkeit erfüllte Jussefs Herz. Josua durfte nicht sterben – nicht hier, an diesem elenden Ort. Jussef dachte über seinen Gefährten nach und schaute zu, wie er dahinschwand. Tatsächlich war Josua ein guter Mensch, auch wenn er nicht besonders intelligent war. Genau betrachtet, hatte Jussef ihn niemals schlecht über andere reden hören, und wahrscheinlich hatte er im Leben kaum etwas Böses getan. Bestimmt würde er schnell vor Gott stehen. Das heißt, wenn es Ihn gab.
»Ich bringe dich zurück nach Alexandria«, flüsterte Jussef; seine Augen waren tränennass.
Als Josua sich dem Öhr der spirituellen Nadel näherte, formten sich in seinem Inneren weitere Bilder. Die drei Inseln wandelten sich zu drei Ebenen; die Erden-Insel war dabei die höchste Ebene. Langsam mutierte diese höchste Ebene, wurde zu einem Labyrinth. Josua sah, dass die gesamte Menschheit darin gefangen war – eine Menschheit, die von der Zeit beherrscht wurde. Während sich die Zeit vor Josuas Blick entfaltete, sah er Generation um Generation von Menschen das gleiche eintönige Leben führen, wobei sie versuchten, den Sinn ihres Lebens und den Weg nach Hause zu finden – nach Hause in eine Welt, der sie sich nur in den tiefsten Winkeln ihrer Existenz bewusst waren. Zugleich begriff Josua die dem menschlichen Dasein innewohnende Tragik. Weil alle Menschen gleichzeitig das menschliche und das spirituelle Leben lebten, hatte ersteres Auswirkungen auf letzteres, obgleich das dem normalen menschlichen Blick verborgen blieb. Wenn Männer und Frauen Sünden begingen, dann strauchelten sie und stürzten gegen die Mauern ihres spirituellen Gefängnisses. Diese Mauern waren wie ein Dickicht mit scharfen Dornen, die die Männer und Frauen aufrissen. Je öfter diese gegen die Mauern fielen, desto lauter wurden ihre inneren, ihre spirituellen Leidensschreie. Das schwächte sie auch körperlich, denn der Geist herrschte über den Menschen. Doch es führte kein Weg aus diesem Labyrinth. Josua sah das ganz deutlich. Sobald sie dort hineingeboren wurden, gab es keinen Ausgang – bis auf einen. Alle Menschen wurden zur Mitte des Labyrinths getrieben wie eine Viehherde. Wer tat das? Über dem Labyrinth schwebten seltsame Kreaturen, wie
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