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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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das nasse Moos flimmerte. Schlängelnde Flammen spiegelten sich jäh im nachtschwarzen Moorwasser. Aufsteigend und aufsteigend wie aus einem unerschöpflichen Schlund vermehrte sich die Kraft der Feuersbrunst. Das feuchte Holz prasselte und knatterte, die Flammen leckten gierig von Baum zu Baum, angetrieben durch den sausenden Sturm, der von den Feldern herauffegte. Es wurde drückend heiß; als ob sie aus den Wolken hervorgetreten wären, erschienen die Ruinen der Schwedenveste zwischen den Feuern. Schrei auf Schrei erschallte, Schreie gräßlicher Angst, wie sie der Wald niemals vorher und niemals nachher vernommen hat. Die Gäule der Landsknechte heulten mit Tönen, die stundenweit ins Land dringen und rannten unaufhaltsam den Abhang hinunter durch Gestrüpp und über Felsen. Ein junger Reiter, der Sohn des Nürnberger Stadtschreibers, blieb mit seinen langen Haaren an einem Ast hängen, während das tolle Roß weitersauste zur Tiefe. Hilflos, mit stets schwächer werdenden Rufen hing er wie einst Absalom und mußte die Flammen heranschleichen sehen, die ihn beleckten bei lebendigem Leib. Unter den Juden war die Verwirrung so groß geworden, daß viele geradewegs in das Feuer hineinflüchten wollten; die mit Pferden bespannten Wagen rollten hinter den entsetzt fliehenden Tieren davon und wurden halb zerschmettert; schmerzliches Stöhnen drang aus allen Ecken und die Zigeuner machten sich den Wirrwarr zu nutze und stahlen, was ihnen unter die Faust kam. In der größten Ratlosigkeit erschien Zacharias Naar. Er stellte sich vor die Fliehenden, erhob die Arme und vermochte ihren Lauf zu hemmen. Er führte sie so sicher durch die Flammen, als ob ihm diese aus Ehrfurcht den Weg frei gäben und alle folgten ihm wie Lämmer dem Hirten, und ruhig zogen die Fuhrleute die Wagen nach.
    Im Wagen des Maier Knöcker lag ein neugeborenes Wesen auf der bloßen Diele. Rahel, durch die Häufung von Schrecknissen erschüttert, war mit einer Frühgeburt niedergekommen. Sie lag regungslos auf nacktem Stroh, während draußen der große Tumult wie Laute aus einer fernen Welt zu ihr kam. Sie hörte, wie die beiden Ochsen vor dem Gefährt angstvoll blökten; ein feiner Lichtschein, der stärker und stärker wurde, fiel in den Raum, aber auch das vermehrte ihr Wohlbehagen. Es war ihr, als stünde der Geliebte neben ihrem Lager und streichle sie, und sie sah einen alten, gepreßten Lederdeckel vor sich schweben, den sie oft in seiner Wohnung gesehen hatte, und der etwas Fremdes und Liebliches, etwas Märchenhaftes an sich hatte. Thomas Peter hatte sie oft zum Heiland bekehren wollen, aber was war ihr der Heiland und was war ihr selbst der Gott ihrer Väter neben der Liebe, die sie empfunden! In ihr sang und klang es stolz von alten Liedern mit einem süßen, hallenden Kehrreim, da der Abend im Mai kommt und die Blüten zart umhaucht und die stille Nacht von Erwartung schwer ist.
    Holpernd rollte der Wagen gleich den andern unter der Leitung von Zacharias Naar ins Tal. Wortlos kniete Maier Knöcker vor dem Neugeborenen und achtete nicht das durchdringende Quietschen des Wurms. Er war völlig zusammengebogen, der Nathan, und schien nur noch ein Haufen von Kleidern. Er hatte die Fäuste geballt wie zum Schlag und bisweilen zitterte er am ganzen Körper. Das Wesen, das vor ihm sich wand, war ein Knabe. Sonst vermochte er nichts zu denken. In seinem Innern war ein Loch und um ihn herum war es kalt und finster. Ihm gegenüber saß sein Weib. Sie hatte Hilfe geleistet bei der Geburt. Sie war durch nichts bewegt worden. Es schien, als könne sie durch nichts mehr in der Welt überrascht werden, nicht durch Reichtum und Kleinodien, nicht durch Schmerzen und die Wandlungen des blinden Schicksals.
    Die Bauern standen auf den Feldern und sahen hinauf in die brennende Höhe und in den glühenden Himmel. Scheu wichen sie zurück vor den Juden, die sich langsam zu sammeln begannen. Aus allen Richtungen kamen die Verstreuten und fanden sich mit Freudenrufen ein. Für die Nacht wurde ein Lager bereitet; die Zigeuner, deren Hilfe jetzt nötig gewesen wäre, waren spurlos verschwunden. Zacharias Naar stand sinnend an einem Ginsterstrauch und lächelte trüb seinem Werk zu, dem brennenden Wald.
    Noch in der Nacht kam eine große Menge von Bauern, mit Sensen, Beilen und Knüppeln bewaffnet und sie konnten nur mit Mühe und unter großen Opfern an Gold und Silber auf friedlichem Weg zum Abzug bestimmt werden. Am Mittag des nächsten Tages wollte man aufbrechen

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