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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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und den Marsch beschleunigen, um den Feindseligkeiten der Nürnberger zu entgehen und sich zum Weiterzug in den Schutz der Markgrafen von Onolzbach zu begeben. Der Morgen sollte der Bestattung der Toten gewidmet werden. Das Kind des Wolf Batsch und die Frau des Samuel Ermreuther waren in der Eile im Wald liegen geblieben und ihre Leichen waren verbrannt. Die Familie des Elieser war die ganze Nacht an der Leiche des Greises gesessen, während die Frauen an den Sterbekleidern näheten. Auch in den andern Wagen, in denen es Verstorbene gab, blieb das Licht brennen zu den aufrichtigen Tränen der Trauernden. Oft klang der Schrei des Wildes aus der Höhe des Waldes herab, wo sich das Feuer beruhigt hatte; über der Ruine lag eine Rauchkrone, und die noch glimmenden Stamme leuchteten herrlich in die weite Ebene hinein.
    Der Morgen kam. Die Gräber waren rasch gegraben, denn das geschieht bei den Juden mit Hingebung, weil sie alles für ein gutes Werk ansehen, was für einen Verstorbenen geschieht. Die Weiber mußten in der Behausung bleiben, sie durften nicht mitgehen bei Begräbnissen, außer den nächsten Blutsverwandtinnen, und denen durfte sich während dieser Zeit kein Mann nähern, weil es hieß, der Engel des Todes tanze mit dem bloßen Schwert vor den Weibern her. Bevor der Körper in den Sarg gebettet wurde, begoß man ihn dreimal mit Wasser, und ein alter Chronist sagt schon, daß dies etwas anderes bedeute, als eine äußerliche Reinigung. Feierlich erklingen dazu die Worte des Propheten: ich will rein Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet von eurer Unreinigkeit, und von all euren Götzen will ich euch reinigen. Und als die Begießung geschehen, faßte der Chassan den Körper bei der großen Zehe an und kündigte ihn der Gesellschaft der Menschen völlig auf. Dann wurde der Leichnam mit weißen Kleidern angetan, sein Haupt wurde mit dem Gebetstuch bedeckt und so wurde er in den Sarg gelegt. Und weil die Juden alle Erde außer der Erde Kanaans für unrein achten, so bedeckten sie die Augen des Toten mit einer weißen Erde, die aus dem heiligen Land sein soll, und auf die Erde legten sie zerbrochene Scherben von Töpfen. Dann wurde der Sarg zum Grab getragen, und es war üblich, ihn auf diesem Weg dreimal niederzusetzen. Und jeder Freund warf drei Schaufeln Erde in das Grab, und der nächste Blutsverwandte zerriß seine Kleider. Der Totengräber nahm dabei sein Messer und schnitt oben einen Riß in das Kleid dieses Leidtragenden, der dann den Riß mit der Hand vollendete.
    Die Sonne brach hervor aus den Nebeln, und leuchtend lag das Land. Langsam schritten die Leidtragenden zurück, wuschen dreimal ihre Hände, weil sie sich mit dem Tod verunreinigt haben und rissen dreimal Gras aus, um es rückwärts hinter sich zu werfen.
    Die Zurückkehrenden wurden mit der Nachricht empfangen, daß Maier Knöcker, der Nathan, in Wahnsinn verfallen sei. Der Eindruck dieser Kunde war nicht tief, um so weniger, als Zacharias Naar vor dem Aufbruch in Worten von eindringlicher Kraft den Mut und die Zuversicht schwellte wie der Sturm das schlaffe Segel. Sie vergaßen Not und Mühen wieder und weihten sich von neuem dem Glauben an die große Zukunft, an die Macht und Unumstößlichkeit des Langgehofften, Langentbehrten. In solchen Stunden des Vertrauens wirkte jede Herbstzeitlose, die kümmerlich aus den Feldern grüßte, als ein Freudezeichen, jeder Sonnenstrahl hatte etwas Liebenswürdiges und Ergreifendes. Der eine Mensch macht den andern gut und froh; es ist ein stummes Zureden unter ihnen, ein wortloses Sichbestärken. Es ist, als ob das Unglück sie nun geweiht hätte zum Dienst des Glücks.
    Mit gutem Mut zogen also die Juden im Schein der Herbstsonne ins Tal der Rednitz hinunter. Drei Wagen, – die des Obadja Änsel, des Hutzel Davidla, des Simon Fränkel, – waren schon früher aufgebrochen und bildeten die Vorhut. Sie fuhren nicht mehr so langsam wie am vorhergehenden Tag. Die weißen Wagendecken leuchteten freundlich in der Landschaft, der Wald stand in seinem matten Grün wie eine niedere Wand am Horizont, der Himmel war klar und lichtbegossen, und die Helligkeit strömte verschwenderisch über die Gefilde. Weit drüben lag die alte Kadozburg und auf der andern Seite, kaum noch als zarter Umriß erkennbar, das Kaiserschloß von Nürnberg.
    Da sah der Hauptzug, wie die Vorhut im Gelände stille hielt. Maier Lambden hielt die Hand über die Augen und sagte, er sehe eine Anzahl fremder Wagen, die aus einem

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