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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Gehölz herausgefahren kämen. Jetzt stiegen mehrere auf die Kutschböcke und sahen aufmerksam hinaus. Den meisten schlug das Herz in der Brust; sie fürchteten einen neuen Überfall. Der junge Wagenseil, der vortreffliche Augen hatte, sagte, es seien Leute in fremdländischer Kleidung, aber er hielte sie für Juden. Dann sagte er, Obadja Änsel ginge den Vordersten der unbekannten Karawane entgegen. Dann sahen alle, wie sie sich trafen, und wie sie kurze Zeit miteinander redeten. Und dann sahen sie, wie der Obadja Änsel die Arme ausbreitete wie ein Ertrinkender und hinfiel wie ein Stock. Und dann liefen zwei nach und redeten ebenfalls und schienen in Weinen auszubrechen und gebärdeten sich wie Verrückte. Zirle stand und schaute unablässig in die Ferne, wo diese Bilder spielten und plötzlich stieß sie einen markerschütternden Schrei aus, als ob sie alles durch die Lüfte vernommen hätte und sank vom Wagen herab. Die vordersten Wagen kehrten um, kehrten zurück und in kurzer Zeit hatte sich ein tötender Bann von wildem Schmerz um die vorher so wanderungslustigen Menschen gelegt.
    Sabbatai Zewi war zum Islam übergetreten.
    Der Prophet, der seine Zeit beunruhigt hatte wie eine seltene Himmelserscheinung, hat bei Zeitgenossen und Nachwelt nur den Schatten des Geheimnisvollen hinterlassen. Wenn nicht seine außerordentliche Schönheit die Welt trunken gemacht, so war es doch der Zauber seines Geistes, die Größe seiner Seele oder das Hinreißende seiner Worte. Oder wäre es nichts dergleichen gewesen? Es gibt Stimmen aus jener Zeit, die ihn dem Teufel gleich erachten oder einem schlechten Schauspieler oder einem Würfelspieler oder einem Lüsternen oder einem Charlatan. Aber wer kann den Beweggrund seiner Handlungen kennen? Die Geschichte, wie ein leichtgläubiges Frauenzimmer, läßt sich betören von der Fabel und von der Fama und das ist gut, denn wie sollte der Nachgeborene die Fülle erdrückender Wahrheit ertragen, die sie ihm sonst nicht vorenthalten könnte?
    Der fremde Zug, der den Weg der Fürther Juden so jäh gehemmt hatte, war ein kleiner Teil der Wiener Juden, die um diese Zeit von Kaiser Leopold des Landes verwiesen worden waren. Die Verzweiflung der Juden war groß. Es war, wie wenn ein hoffnungsvoller Sohn plötzlich hinstirbt, auf den man alles gesetzt, von dem man alles erwartet, und der nun geht. Doch es war schlimmer. Es war mehr als der Tod, schrecklicher als der Tod, etwas, das die ganze Haltlosigkeit des Lebens in einem grellen Blitz zeigte. Die Juden sind ein starkes und störrisches Volk; doch sind sie nur groß, wenn ein wenig Gelingen bei ihnen wohnt, und sie sind nicht lange groß, denn sie brechen leicht in dem Erstaunen über ihre eigne Größe. Auch Sabbatai Zewi war ein Jude, vielleicht das klarste Bild des Juden, ein Stück Judenschicksal.
    Viele zogen wieder nach Fürth zurück. Einige Familien der österreichischen Vertriebenen, die große Not litten und furchtbare Entbehrungen hinter sich hatten, siedelten sich nebst einigen jungen Leuten aus Fürth in dem stillen Tale an. Bei ihnen blieb Thelsela, das Weib des blödsinnigen Maier Nathan, mit ihrer Tochter und ihrem Enkel, der der Stammvater jenes denkwürdigen Menschen wurde, von dem in den folgenden Blättern die Rede ist. Die Thelsela war zu müde geworden, nach der stiefmütterlichen Heimat zurückzukehren, an der Seite der Christen zu leben und stets durch den Ort, wo sie gelitten, an die Reihe ihrer Leiden erinnert zu werden. Sie verkaufte ihr Haus und baute dort drüben ein neues. Sie wollte nichts mehr vom Leben; sie trug ihre Tage knechtisch und trug still.
    Jener Ort, der mit Erlaubnis des freundlichen Herrn von Onolzbach gegründet wurde, hieß zuerst Zionsdorf, welcher Name dann durch die einwandernden Christen in Zirndorf umgewandelt wurde. Er gedieh, die Felder um ihn herum waren fruchtbar und gern bereit, die anvertraute Saat zehnfach zurückzugeben.
    Zacharias Naar und Zirle blieben für immer verschwunden. Ihr Leben verlor sich in eine Folge von Sagen und schließlich wurden auch ihre Taten sagenhaft. Geschlecht auf Geschlecht erstand und verblühte, und eine neue Zeit kam. Und das Kommende war immer größer, freier und vollendeter, als das Vergangene, und der Jude, anfänglich nur Knecht, wert genug, den Fußtritt des übelgelaunten Herrn zu empfangen, tat seine Augen auf und erspähte die Schwächen und erriet die Geheimnisse dieses Herrn. Da griff er alsbald mit seinen Händen hinein in die Maschinerie

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