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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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auf einem Schemel, äffte den Wind und lachte.
    »Jeanetterl, kumm her! kumm her, Jeanetterl! Ich muß d'r was sagn!« flüsterte er kaum hörbar. »Ich hab' d'rs ja gleich g'sagt. Geld will ich kaans. Ich pfeif d'r af dei Geld.« Plötzlich fuhr er wie toll auf und stieß Sema, der ihn beruhigen wollte, mit voller Kraft weit von sich, daß der Knabe gegen den Ofen taumelte. »Dei Geld? Na! Dei Geld? Da klebt Schweiß draa un Blut, lieber Sohn! Es rollt – tief! Komm herla, Eisenhäärla! Chomezfresserla! Chuzpeponim! Ach, was haste gemacht mit en alten Mann!«
    »Warum bringen Sie ihn nicht fort?« fragte Bojesen erschüttert.
    »Morgen früh kommt er in die Anstalt, Herr Bojesen.« Bei dem Namen blickte Sema hastig empor und schaute Bojesen an. Dann stand er auf, trat zu Bojesen und fragte stehend: »Wo ist Agathon?«
    Bojesen war erstaunt. Er schüttelte den Kopf, nahm Semas Hand und streichelte sie. Eine Zeitlang war es still. Bojesen war versunken in den Anblick des langsam einschlummernden Greises, dessen Rücken steif an die Wand gepreßt war. Sema saß vor Gedalja auf der Erde.
    Als Bojesen die finsteren Treppen hinabsteigen wollte, eilte ihm Sema nach. »Herr Bojesen,« rief er leise, »die Schüler!« In abgerissenen Worten, atemlos, von dem Bestreben beseelt, ein Unglück abzuwenden, erzählte er, daß viele Schüler der obersten Klasse morgen Nacht den Rektor überfallen wollten, wenn er vom Wirtshaus heimging; es sei eine Verschwörung, sie wollten sich auch verkleiden; einer habe einen Aufruf geschrieben, worin die Rückkehr Bojesens gefordert sei, auch hätte eine Geldsammlung stattgefunden, um Bojesen ein Ehrengeschenk überreichen zu können. Er, Sema, sei von all dem durch einen guten Freund unterrichtet und er fürchte, daß es den Schülern schlecht ergehen werde.
    Bojesen sah nachdenklich ins Finstere. Er legte seine Hand beschwichtigend auf Semas Haupt, drückte ihm dann schweigend die Hand und ging, während ihm der Knabe hilflos nachschaute. Nebenan wohnte ein Firmenmaler, der in nächtlichen Mußestunden klassische Monologe einübte, und Sema hörte ihn brüllen, während er bang in die Nacht sah.
    Indes wurde Bojesen nicht müde, gegen den Sturm anzukämpfen. Er ging über die Felder; die Landschaft schien zu wogen wie aufgewühlte See, der Fluß stürzte rauschend einher und war bis zum Rand angeschwollen. Bojesen empfand ein Grauen davor, heimzukehren und sann darüber nach, wo er den Rest der Nacht verbringen solle. Er kehrte um und stand alsbald unschlüssig vor dem Eingang zum siebenten Himmel. Während er noch überlegte, kam der Glühende heraus, begrüßte ihn und fragte, ob Bojesen nichts von den sonderbaren Ereignissen gehört habe, die sich heute Abend in Nürnberg abgespielt. Ein halbwahnsinniger Mensch, ein Goldmacher, habe das Volk aufgewiegelt, ein junger Mensch habe die Lorenzerkirche in Brand gesteckt und die ganze Stadt sei wie von Sinnen. Er gehe jetzt, um sich die Geschichte anzuschauen.
    Bojesen vernahm das alles wie im Traum. Schließlich verging die Nacht und verbrauste mit ihrem Sturm; eine Nacht für alle und dann den Tod in den Wellen sterben, dachte er. War es nicht auch ein Traum gewesen, daß einst ein weißer Arm schmeichlerisch seinen Hals umschlungen hatte? oder war dies vor langen Jahren geschehen, in einer entlegenen Zeit der Geschichte?
    Am Morgen verließ er früh das Haus. Die Straßen waren vom Sturm reingeleckt. Ob er geschlafen oder nicht geschlafen, wußte er nicht. Einem Entschluß folgend, den er schon gestern bis in die Einzelheiten gefaßt und erwogen und der ihn jetzt von selber vorwärts trieb, ging er ins Schulhaus, um die Schüler zur Vernunft zu bringen und von törichten Streichen abzuhalten, die ihm und ihnen schaden mußten. Er tat es widerwillig, denn er hatte sich gesagt: laß diese Jugend einmal sich empören.
    Es schlug acht Uhr, als Bojesen die Klasse betrat. Sobald die Knaben ihn gewahrten, entstand ein feierliches Schweigen. Plötzlich kam ein junger Mensch mit offenem, liebenswürdigem Gesicht, das ein wenig an die Züge Agathons erinnerte, auf Bojesen zu und reichte ihm die Hand. Dann erhoben sich auf einmal alle in sorgloser Erregung, in mühsam verhaltenem Jubel, mit erstickten Ausrufen, stürmten auf den verstoßenen Lehrer ein, drückten und schüttelten seine Hände, sahen mit leuchtenden Augen zu ihm auf und die Boshaften, die Dummen und Launischen verloren alles, was sie abstoßend machte. Bojesen, in seiner Ergriffenheit,

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